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Im Januar 2019 stirbt in Vorpommern die sechsjährige Leonie – nach einem langen Martyrium. Der Stiefvater wurde verurteilt, legt aber Revision ein. Nun wird sein Motiv noch einmal geprüft: Der Staatsanwalt fordert wieder lebenslange Haft.
Neubrandenburg (dpa/mv)
Im Revisionsprozess um den gewaltsamen Tod der sechsjährigen Leonie aus Torgelow (Vorpommern-Greifswald) hat die Staatsanwaltschaft erneut eine lebenslange Haftstrafe für den Stiefvater gefordert. Der 29-Jährige habe den Mord «aus niederen Beweggründen begangen», sagte Staatsanwalt Bernd Bethge am Montag am Landgericht Neubrandenburg. Er habe die Familie als sein Revier betrachtet, sagte Bethge. Das habe sich vor allem nach dem Umzug von Wolgast nach Torgelow 2018 gezeigt. Der Mann habe seine Machtstellung mit Gewalt durchsetzen wollen und eine «negative Grundeinstellung» zu beiden Stiefkindern gehabt.
Die Mutter, gegen die auch wegen fahrlässiger Tötung ermittelt wird, hatte von zunehmender Aggressivität ihres Lebenspartners berichtet. Leonie war am 12. Januar 2019 sterbend in der Wohnung der Familie gefunden worden. (Az.: 6 StR 134/20)
Der Stiefvater hatte sie – wie bereits zuvor – schwer misshandelt. Dann verzögerte er über Stunden die Alarmierung von medizinischer Hilfe. Er war im Januar 2020 wegen «Mordes durch Unterlassen», Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung Schutzbefohlener vom Landgericht zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Die Verteidigung legte Revision ein. Der Bundesgerichtshof bestätigte «das äußere Tatgeschehen», hob das Urteil aber in Teilen auf und ordnete eine Neuverhandlung mit Prüfung des Mordmotivs an.
In der Revisionsverhandlung wurde die Mutter erneut als Zeugin gehört. Der Angeklagte kündigte anfangs zwar an, sich ebenfalls äußern zu wollen, zog dies aber vor den Plädoyers zurück und schwieg. Eine gerichtsmedizinische Gutachterin berichtete, dass Leonie schon von Misshandlungen seit Ende 2018 mehrere gebrochene Rippen, einen gebrochenen Daumen sowie weitere Verletzungen hatte, die nicht medizinisch versorgt worden waren.
An ihrem Todestag habe der Stiefvater das Mädchen mit Fäusten, Tritten und einem Kunststoffbügel eines Kinderwagens schwer misshandelt. Sie hatte ihrer Mutter folgen wollen, die Einkaufen gegangen war. Letztlich war die Sechsjährige an Hirnblutungen gestorben, die von einem schweren Schlag gegen den Kopf stammten. Ein psychiatrischer Gutachter bezeichnete den Angeklagten als «unterdurchschnittlich intelligent».
Er sei aber in der Lage gewesen, zu sehen, wann ein Kind medizinische Hilfe braucht. Wegen des großen öffentlichen Drucks nach seiner Festnahme und Drohungen anderer Gefangener habe der Stiefvater im Februar 2019 versucht, sich zu erhängen. Das sei verhindert worden.
Verteidiger Bernd Raitor erklärte, dass sein Mandant damals in Torgelow «keine Tötungsabsicht» gehabt hatte. Der arbeitslose Mann habe seine «Erziehungsmaßnahmen mit körperlicher Gewalt unterstützt». Raitor forderte, dass der 29-Jährige wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Fall Leonie fünf Jahre Haft und wegen Körperverletzung gegenüber dem jüngeren Bruder ein Jahr Haft erhalten solle. Das Urteil soll am 25. Februar verkündet werden.
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