Archäologie in MV: Rätselhafte Feuerstellen und Silberschatz

Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Wiligrad (Iris Leithold; dpa/mv)

Spektakuläre Funde aus längst vergangenen Zeiten sind den Archäologen in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr gelungen. Eine große Rolle spielen dabei rund 200 ehrenamtliche Mitarbeiter.

Wie an langen Perlenschnüren reiht sich in der Kiesgrube von Naschendorf (Nordwestmecklenburg) eine Feuerstelle an die andere: Tausende kreisrunde Mulden mit einem Durchmesser von 1 bis 1,50 Meter, gefüllt mit Feldsteinen. Als die Archäologen in diesem Jahr vor der Erweiterung des Kiestagebaus dort gruben, waren sie über die Ausmaße des bronzezeitlichen Platzes erstaunt. Die Reihen enden nicht am Rand des Grabungsfeldes. «Es ist der größte bislang bekannte derartige Platz in Europa», sagt Detlef Jantzen, Mecklenburg-Vorpommerns Landesarchäologe.

Der größte Feuerstellen-Platz Europas

Die Experten schätzen das Alter der Feuerstellen auf 2500 bis 3000 Jahre. Es gibt jüngere Feuerstellen über älteren. Welche Bedeutung der Platz hatte und wozu er diente, kann Jantzen bislang nicht sagen. «Es ist eine Anlage von gewaltigen Ausmaßen.» Ähnliche Plätze seien in Nordwestdeutschland und in Dänemark bekannt. Auch dort seien sich die Experten nicht im Klaren, ob es Plätze für Festlichkeiten oder rituelle Handlungen waren.

Um herauszufinden, wie groß die Anlage insgesamt gewesen ist, wollen die Archäologen im kommenden Jahr geophysikalische Messungen vornehmen. «Damit können Anomalien unter der Erdoberfläche sichtbar gemacht werden. Die Feuerstellen müssten sich gut abzeichnen», sagte Jantzen. Dabei hoffe man, den Platz in seiner Gesamtheit zu erfassen und den Schlüssel zu seinem Verständnis zu finden.

Ein römisches Operationsbesteck

Die rund 200 ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger in Mecklenburg-Vorpommern machen oft spektakuläre Funde, denn sie dürfen Feld und Flur mit Metalldetektoren abgehen. Entdecken sie etwas, dokumentieren sie seine Lage und den Fundzusammenhang, bergen das Stück und übergeben es der Forschung. Außerdem beobachten sie ihre jeweilige Region, um Raubgräber abzuhalten.

Bei einer solchen Begehung fand ein ehrenamtlicher Mitarbeiter in diesem Jahr nahe Wittenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) den mit Silber überzogenen bronzenen Griff eines römischen Operationsbestecks. Das sei eine kleine Sensation, sagt Experte Jantzen. Denn es ist der erste Fund dieser Art im Land. Vermutlich habe ein germanischer Söldner in römischen Diensten das Stück in den Norden mitgebracht. Münzen aus der römischen Kaiserzeit, die von 30 vor bis 375 nach Beginn der Zeitrechnung währte, seien schon häufiger in MV gefunden worden.

Silberfund so bedeutend wie der Blauzahn-Schatz von Rügen

In der Nähe von Fürstenberg (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) fanden Archäologen bereits vor zwei Jahren auf einem Acker sogenanntes Hacksilber in größerer Menge – und noch mehr bei einer Nachgrabung in diesem Jahr. Rund 1400 Einzelstücke aus der Zeit um das Jahr 1000 seien es insgesamt, berichtet Jantzen. Zusammen bringt der Silberschatz mehr als ein Kilogramm auf die Waage. Es handele sich um Barren, Schmuck und Münzen – teils intakt, teils zerhackt. Um diese Zeit habe vor allem den Silberwert gegolten und weniger die künstlerische Verarbeitung, sagt Jantzen. Die Münzen stammten unter anderem aus England und vom europäischen Festland. Wer den Schatz wann und warum vergraben hat, liege noch im Dunkeln.

«Damit ist der Fund dem Schatz von Schaprode mindestens ebenbürtig», schätzt Jantzen. Auf einer Fläche von etwa 400 Quadratmetern nahe der Ortschaft Schaprode auf Rügen waren im Jahr 2018 kunstvoll geflochtene Halsreife, Perlen, Fibeln, einen Thorshammer, zerhackter Ringschmuck und zwischen 500 bis 600 teils zerhackte Münzen gefunden worden. Mehr als 100 Münzen konnten der Regentschaft des legendären Dänenkönigs Harald Blauzahn (910-987) zugeordnet werden.

Noch mehr Münzschätze

Münzschätze sind gar nicht so selten, wie der Landesarchäologe berichtet. Die folgenden Funde stammen alle aus 2020, sagt Jantzen. Beim Anlegen eines Drainage-Grabens nahe Ribnitz-Damgarten (Landkreis Vorpommern-Rügen) kamen zwei Tontöpfe mit silbernen, dünnen Hohlpfennigen mecklenburgischer und pommerscher Prägung aus dem Mittelalter zum Vorschein. In Sietow (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) gab der Boden Silbermünzen aus dem 30-jährigen Krieg frei. In der Nähe von Penzlin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) fand ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger zehn arabische Silbermünzen aus der Slawenzeit, die weitreichende Handelsbeziehungen belegen.

Das Hermannus-Siegel von Rügen

In der Ortschaft Jarnitz auf Rügen wurde in diesem Jahr ein bronzener Siegel-Stempel aus der Zeit um das Jahr 1200 gefunden. «Er gehörte einem Mann namens Hermannus», erklärt Jantzen. Dieser sei ein Geistlicher in Diensten des Bischofs von Roskilde und des Rügen-Fürsten Jaromar gewesen. Das kleine Fundstück mit einem Durchmesser von 3,6 Zentimetern wurde von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter gefunden. «Es ist wahrscheinlich der älteste bisher in Mecklenburg-Vorpommern gefundene Siegel-Stempel.»

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