Am 27.11. und 28.11.2019 tagte der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern in Linstow. Die jährliche Klausurtagung soll neben der internen Organisation auch stets einen Diskurs über die aktuelle Lage der Agrarwirtschaft in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern bringen.
Landwirte laufen Sturm gegen Agrarpaket
Die Aussichten sind in Anbetracht von Klima- und Agrarpaket, einer neuen Düngeverordnung und einem immer härteren Wettkampf auf den Weltmärkten alles andere als positiv.
Das ist auch in Linstow deutlich zu spüren und so hat der Bauernverband zu einer Diskussionsrunde mit den Vertretern der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen. Es sollte um den Stellenwert der Agrarpolitik in den jeweiligen Parteien gehen, geladen waren somit die Fraktionsvorsitzenden bzw. die Landeschefs der jeweiligen Parteien. Gekommen sind die agrarpolitischen Sprecher der Fraktionen. Auf das Glatteis der Agrarpolitik wollten sich Parteivorsitzenden dann doch nicht bewegen.
Landwirtschaft hat für die SPD keinen „hohen Stellenwert“
Den Anfang machte Elisabeth Aßmann (SPD). Sie gab unumwunden zu, dass die Agrarpolitik für die SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit wenig Stellenwert hat und sprach von einem „Personalproblem in der Bundestagsfraktion“ in Bezug auf die Agrarpolitik. Für die SPD hätten Themen wie Umweltschutz und Tierwohl einen höheren Stellenwert als die wirtschaftlichen Ansprüche der Agrarbetriebe.
Kliewe mit eigener Partei unzufrieden
Holger Kliewe (CDU) holte weit aus und legte die Bedeutung der Landwirtschaft für die ländlichen Räume dar und skizzierte die verschiedenen Problemfelder mit denen sich die Branche aktuell konfrontiert sieht. Mit der Agrarpolitik seiner Partei sei er ebenfalls eher unzufrieden, von neuen Auflagen und Verboten halte er wenig. Er möchte Anreizsysteme und weniger Vorschriften. Als er anfängt offensiven Wahlkampf für die CDU zu machen kommt Unruhe im Raum auf. Das möchte hier niemand hören, schon gar nicht in Anbetracht der jüngsten Wahlergebnisse der einstigen Bauernpartei.
Linke fordern den Bauern Klimaschutz ab
Es folgte Dr. Wolfgang Weiß (Linke). Er forderte einen höheren Stellenwert des Verbraucherschutzes und nahm die Landwirte in die Pflicht an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des Umwelt- und Klimaschutzes aktiv mitzuwirken. Er beklagte die Abhängigkeit der deutschen Landwirtschaft von den Großkonzernen und sprach sich für das Genossenschaftsmodell in der Landwirtschaft aus.
AfD lehnt Agrarpaket entschieden ab
Als vierter im Bunde erhielt Ralf Borschke (AfD-Fraktion; parteilos) das Wort. Er betonte die Errungenschaften der Ökologisierung der Landwirtschaft seit Wende und mahnte davor durch immer weitreichendere Verbote die deutsche Landwirtschaft vom Weltmarkt zu drängen. Die sogenannte Agrarwende griff er scharf an und verurteilte die Umsetzung selbiger durch alle Parteien außer der AfD. In der aktuellen Klima- und Umweltpolitik sieht er einen entscheidenden Baustein zur Umgestaltung der Gesellschaft.
Ziemlich großer Streit: Backhaus und die Landwirte
Mit etwas Verspätung traf Landwirtschaftminister Dr. Till Backhaus ein. Was dann folgte war ein einstündiger Schlagabtausch zwischen dem CDU-dominierten Bauernverband und dem sozialdemokratischen Minister. Backhaus beklagte die „schlechteste Gesamtstimmung in der Landwirtschaft seit der Wende“ und forderte die Landwirte erneut auf sich den Ansprüchen der Gesellschaft verstärkt zuzuwenden. Er prognostizierte einen Rückgang der Agrarzahlungen und betonte erneut, dass es in Zukunft vermehrt nur noch Geld geben soll, wenn im Gegenzug mehr „öffentliche Leistungen“ erbracht würden. „Sie wollen Qualitätsweizen produzieren, koste es was es wolle (bezogen auf die Verunreinigung des Grundwassers)“ Minister Backhaus macht Jörg Haase vom Bauernverband Nordwestmecklenburg schwere Vorwürfe.
„Mehr Enttäuschung geht eigentlich nicht“ sagte ein Landwirt aus dem Publikum am Mikro in Richtung Politik.
Backhaus greift CDU an
Angesprochen auf die Agrarpolitik im Land Mecklenburg-Vorpommern griff der Minister den CDU-Juniorpartner in der Regierung hart an und warf ihm eine wenig konstruktive Haltung vor, „man sei ja froh, wenn überhaupt mal etwas kommt“ (Anm. der Redaktion: von der CDU). Das wollte dann ein sichtlich irritierter Holger Kliewe (CDU) dann doch nicht so ohne weiteres stehenlassen und bemühte sich um Schadensbegrenzung.
Ansonsten drehten sich die Fragen und Antworten stets um die gleichen Themen: Insektenschutz, Düngeverordnung und den Vertrauensverlust der Landwirte in die Politik.
Angst vor der AfD und Aßmann als Backhaus-Nachfolgerin?
Und was niemand so wirklich aussprechen wollte, aber in so manchem Wortbeitrag von Funktionären des Bauernverbandes deutlich zu erkennen war: Es geht die pure Angst um, die Bauern an die AfD zu verlieren.
Und damit dürften sie nicht ganz Unrecht haben. Dies wurde unter der Hand von dem Publikum immer wieder betont.
Ein spannendes Zitat sorgte auch für weitere Spekulation. „In der Fraktion habe ich den Hut auf“ (Anm. der Redaktion: bezogen auf agrarpolitische Fragen) teilte Elisabeth Aßmann (SPD) mit und inszeniert sich eventuell jetzt schon als die Nachfolgerin von Till Backhaus.