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Schwerin (dpa/mv)
Die ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm und Hans-Georg Maaßen, haben am Freitag im NSU-Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags als Zeugen ausgesagt und bei mehreren Abgeordneten den Eindruck des Behördenversagens in Mecklenburg-Vorpommern verstärkt. Der SPD-Obmann Julian Barlen sagte im Anschluss: «Gab es etwa doch schon 2002 konkrete Erkenntnisse über die Existenz einer Gruppe NSU?».
Nach Fromms Worten lag dem Landesverfassungsschutz MV 2002 die Ausgabe Nummer 18 der rechtsextremen Postille «Der weisse Wolf» vor, in welchem dem NSU gedankt wird. Es ist die erste öffentlich bekannte Erwähnung der Terrorgruppe, die in Deutschland zehn Morde begangen hat. Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern widerspricht bislang, die Ausgabe damals gehabt zu haben.
«Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter…» heißt es im «Weissen Wolf», der vom späteren NPD-Landtagsabgeordneten der Jahre 2011 bis 2016, David Petereit, herausgegeben wurde. Ebenfalls im Jahr 2002 berichtete eine Quelle dem Landesverfassungsschutz von einer Spende in Höhe von 2500 Euro an den «Weissen Wolf», ohne die Herkunft des Geldes zu nennen. Dem hätte der Landesverfassungsschutz unbedingt nachgehen müssen, meint auch der Linken-Obmann Peter Ritter. Barlen will nun die damalige Quelle und dessen Führungsoffizier als Zeugen vor den Ausschuss laden.
Fromm war von 2000 bis 2012 Chef des Bundesverfassungsschutzes. In diese Zeit fielen die Morde des NSU. Der heute 72-Jährige sagte, nach Rechtsextremisten als möglichen Tätern habe damals niemand geschaut. Warum das ausgeblendet worden sei, sei das Rätsel. «Das ist eine Frage, die mich bis heute beschäftigt», sagte er in seiner zweieinhalbstündigen Zeugenvernehmung.
Eines der NSU-Opfer ist Mehmet Turgut, der 2004 in Rostock erschossen wurde. In Mecklenburg-Vorpommern werden auch zwei Banküberfälle in Stralsund dem NSU zugeschrieben. Der Schweriner Untersuchungsausschuss versucht, die Aktivitäten und mögliche Unterstützer des rechtsterroristischen «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) in Mecklenburg-Vorpommern nachzuzeichnen und nimmt dabei insbesondere die Ermittlungen der Behörden kritisch unter die Lupe.
Nach Fromm sagte sein Nachfolger Hans-Georg Maaßen aus, der das Bundesamt bis 2018 leitete. Nach dessen Worten hat Mecklenburg-Vorpommern eine Reihe von Problemen mit Rechtsextremismus. Aufgrund der großen Fläche und der regionalen Struktur hätten sich während seiner Zeit als Chef des Verfassungsschutzes Rückzugsräume für Rechtsextremisten im Nordosten entwickelt. Das Landesamt für Verfassungsschutz in MV sei personell schwach besetzt gewesen und habe doch den gesamten Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes abbilden müssen. Das Amt habe aber gute Arbeit geleistet.
Schließlich trat Elmar Ruhlich in den Zeugenstand. Der heute 78-Jährige leitete den Landesverfassungsschutz MV in den Jahren 1990 bis 1991 und noch einmal von 1995 bis 2001. Ende der 1990er Jahre wurde auf Bitten des Thüringer Verfassungsschutzes ein Treffen des NSU-Trios mit einem Szene-Rechtsanwalt in MV observiert. Daran habe er aber keine Erinnerung, sagte er.
In seine Amtszeit fiel nach Ruhlchs Worten der Versuch, bei Campingplatzbetreibern nach rechtsextremen Umtrieben zu fragen. Damals sei er von politischer Seite zurückgepfiffen worden, sagte er. Als bekannt wurde, dass der NSU immer wieder auf Campingplätzen urlaubte, habe er sich gesagt: «Hätten sie uns damals nur weitermachen lassen, vielleicht wären wir auf sie gestoßen.»
Die AfD äußerte nach den Zeugenvernehmungen die Auffassung, dass den Sicherheitsbehörden kein Vorwurf zu machen sei. In der Befragung von Maaßen sei erneut deutlich geworden, dass das Handeln des NSU-Trios nicht ins typische Schema politischen Terrorismus‘ gepasst habe. So seien niemals Bekennerschreiben veröffentlicht worden.