Laufkatzen hängen am Bockkran der MV-Werft. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
Wismar (dpa/mv)
Die Situation bei den von Insolvenz bedrohten MV Werften spitzt sich weiter zu. Die für Freitag fällige Zahlung der Löhne und Gehälter für die rund 2000 Mitarbeiter in Wismar, Rostock und Stralsund wurde auf kommende Woche verschoben. «Das Herz hätte es zwar gerne getan und die Kasse hätte es auch erlaubt. Wir haben 30 Millionen Euro Liquiditätsbestand. Aber es gibt rechtliche Rahmenbedingungen, unter denen wir nicht in der Lage waren, die Löhne und Gehälter heute zu zahlen», sagte Geschäftsführer Carsten Haake am Freitag nach einer Belegschaftsversammlung in Wismar. Zudem wurde bekannt, dass der Handel mit Aktien des asiatischen Genting-Konzerns, der die Werften 2016 für den Bau von Kreuzfahrtschiffen für eigene Reedereien erworben hatte, an der Börse in Hongkong ausgesetzt wurde.
Hintergrund für die Verzögerungen bei den Lohnzahlungen ist offenbar die ausstehende Einigung auf ein Rettungspaket, über das Bund und Land seit Wochen mit Genting Hongkong verhandeln. Weitere Gespräche auch auf höchster Ebene seien geplant. «Wir werden am Wochenende alle Kräfte bündeln und die Verhandlungen, die über Weihnachten und Neujahr geführt wurden, fortsetzen», sagte Haake.
Nach Angaben der IG Metall schüren die festgefahrenen Verhandlungen zur Rettung der Werften große Ängste bei den Werftarbeitern. «Wenn sich Politik und Genting nicht einigen, fehlt mir die Fantasie, wie es weitergehen kann», machte Gewerkschaftssprecher Stefan Schad den Ernst der Lage deutlich. Für Montag sei eine Mitgliederversammlung der Gewerkschaft geplant, um über weitere Schritte von Seiten der Arbeitnehmer zu beraten.
Nach Schads Angaben sind in Wismar derzeit etwa 1600 Schiffbauer mit Bau des Riesen-Kreuzfahrtschiffes «Global 1» beschäftigt, dessen Fertigstellung wegen akuter Finanzprobleme des Mutterkonzerns Genting gefährdet ist. Bund und Land sind zu weiteren Hilfen bereit, machen neue Kredite aber von Eigenleistungen des Werfteigners abhängig. Die geforderten Zusagen stehen allerdings aus. Stattdessen versucht der Genting-Konzern vor Gericht die sofortige Auszahlung eines Landeskredits in Höhe von 78 Millionen Euro zu erzwingen.
Wie aus Regierungskreisen in Schwerin verlautete, erleichtert die Ende vorigen Jahres überraschend eingereichte Klage die Gespräche nicht. Das Land verbürgt demnach bereits Kredite im Umfang von 301 Millionen Euro und ist auch bereit, weitere Hilfen zu gewähren. Doch knüpft die rot Landesregierung dies daran, dass auch der Bund zusätzliche Kredithilfen gewährt, um das 1,5 Milliarden Euro teure Kreuzfahrtschiff fertigstellen zu können. Das für 9500 Fahrgäste konzipierte Schiff ist laut Regierung zu drei Vierteln fertig.
Die Bundesregierung signalisierte unterdessen, dass sie weiter bereit ist, die angeschlagenen MV Werften zu unterstützen, fordert aber ihrerseits einen Eigenbeitrag des Eigentümers. «Wir stehen an der Seite des Unternehmens und seiner Beschäftigten, um diese schwere Zeit gemeinsam durchzustehen. Es liegt jetzt einzig an den Eigentümern, ebenfalls einen angemessenen Beitrag zu leisten», sagte Wirtschafts-Staatssekretär Udo Philipp der Deutschen Presse-Agentur. Dazu sei Genting Hongkong derzeit aber nicht bereit. Es fehle ein klares Bekenntnis der Eigentümer zu ihrer Werft. «Das ist enttäuschend und gefährdet viele Tausend Arbeitsplätze in der Region», beklagte Philipp.
Nach dem coronabedingten Zusammenbruch des Kreuzfahrtmarktes Anfang 2020 war Genting in finanzielle Schieflage geraten, die für 2021 erwartete Trendwende blieb aus. Die Bundesregierung hatte sich vor Weihnachten bereit erklärt, zu den schon zugesicherten 300 Millionen Euro weitere 300 Millionen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Rettung der für die strukturschwache Region wichtigen Werften zu gewähren. Im Gegenzug verlangte das Wirtschaftsministerium nach dpa-Informationen einen Eigenbeitrag des Genting-Konzers, der sein Geld vor allem im Tourismus und mit Glücksspiel verdient, von 60 Millionen Euro. Als Sicherheit für die Finanzspritze des Bundes sollte das Schiff verwendet werden.
Werftenchef Haake äußerte sich trotz der offenbar noch weit auseinander liegenden Verhandlungspositionen zuversichtlich, dass die «Global 1» fertiggestellt werden kann. «Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir sind auf einer Werft. Und da sind wir es gewohnt, dass es manchmal schwierige Zeiten gibt. Ich glaube, dass wir das Schiff zu Ende bauen werden», sagte er.
Die drei zum Werftenverbund gehörenden Schiffbaubetriebe hatten seit der Wende mehrere Krisen zu überstehen und auch mehrere Eigentümerwechsel erlebt. Die Übernahme durch Genting zu Zeiten eines boomenden Kreuzfahrttourismus galt vor fünf Jahren als Glücksfall, weil der Konzern massiv investierte, die Belegschaften aufstockte, nach Tarif bezahlte und viele Schiffe in Auftrag gab. Doch wurde der Aufschwung durch die Corona-Pandemie jäh gestoppt.
Zur aktuellen Situation der offensichtlich zahlungsunfähigen Genting-Werften erklärt AfD-FraktionschefNikolaus Kramer MdL: „Angesichts der dramatisch zugespitzten Situation erwarte ich, dass die Landesregierung den Werft-Angestellten jetzt endlich die Wahrheit sagt: Genting ist am Ende, die Insolvenz nur noch eine Frage der Zeit. Ich finde es unerhört, dass SPD und CDU sich in einem kindischen Schwarze-Peter-Spiel gegenseitig die Schuld für die gemeinsame desaströse Werftenpolitik in die Schuhe schieben. Das ist anstandslos und der Situation nicht angemessen. Leider rächt sich jetzt, dass Landesregierung und auch Gewerkschaftsfunktionäre Genting über Jahre blind vertraut haben, ohne einen Plan B für Werften und Arbeiter vorzubereiten. Insbesondere die für die Leitlinien der Politik zuständige Ministerpräsidentin Schwesig steht nun vor den Trümmern ihrer Politik. Ich erwarte unverzüglich Aufklärung darüber, welche konkreten Pläne die Landesregierung für einen zukunftsfähigen Werftstandort MV hat und wie wir so viele Arbeitsplätze retten können, wie möglich. Die Arbeiter müssen sofort informiert werden, wie es nach der zu erwarteten Genting-Pleite für sie weitergeht. Mit den betroffenen Zuliefererbetrieben müssen ebenfalls unverzüglich Gespräche aufgenommen werden. Auf gar keinen Fall darf sich die Landesregierung von Genting erpressen lassen. Jeder weitere Cent, in welcher Form auch immer, der jetzt noch in Richtung Hongkong geht, ist verloren. Persönlich enttäuscht bin ich, dass Schwesig ihren Finanzminister vorschickt, um über die desolate Lage zu informieren. Dieses Wegducken vor der eigenen Verantwortung sind wir allerdings von ihr mittlerweile gewohnt. Die AfD wird sich konstruktiven Lösungen für die Werften nicht verschließen. Im Gegenteil: Wir brauchen funktionierende Werften! Allerdings ohne räuberische internationale Konzerne mit fragwürdigen Geschäftsmodellen und auch nicht als Zuschussgeschäft für die hart arbeitenden Steuerzahler.“