Am 26. August konnte man gelebte Diskursoffenheit in Schwerin erleben. Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und heutige Publizistin Vera Lengsfeld diskutierte auf Einladung der AfD-Landtagsfraktion mit dem Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung Michael Seidel über das Thema Meinungsfreiheit. Über 180 Zuschauer folgten den Ausführungen der beiden Persönlichkeiten während des moderierten Streitgesprächs im Schweriner Schloss.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer führte in den Abend ein. Er beschrieb ein Meinungsklima, in dem rechte Ansichten stigmatisiert würden. Die Arbeit im Landtag der letzten Jahre hätte dies bestätigt. Um eine zivilisierte Gesprächskultur zu stärken, sei man deshalb gemeinsam mit Michael Seidel und Vera Lengsfeld übereingekommen, die Grenzen des Sagbaren im Sinne politischer Willensbildung zu diskutieren.
Vera Lengsfeld kritisierte die Auswirkungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Dieses führe zu Denunziantentum und einem Verlust an Rechtsstaatlichkeit. Beides würde den Weg zur einer Gesinnungsdiktatur ebnen. Seidel hielt dagegen und sagte, man könne alles sagen, wenn man sich an Recht und Gesetz halten würde. Das Gesetz sei kritisch zu bewerten, aber wohl notwendig, um dem grassierenden Hass im Internet zu begegnen.
Seidel verteidigte an diesem Abend auch die Arbeit seiner Zeitung, gestand aber zugleich auch ein, dass die Berichterstattung während der unkontrollierten Einwanderungswelle der Jahre 2015 und 2016 fehlerhaft gewesen ist: „Wir haben lernen müssen, dass selbst vermeintlich verlässliche Quellen, eben nicht per se verlässlich sind und wir auch die nachprüfen müssen. Und wir haben gelernt, dass das Meinungsspektrum – auch übrigens in unserer Leserschaft – wesentlich breiter ist, als wir es vorher angenommen haben.“ An anderer Stelle sprach Seidel davon, dass die staatlichen Institutionen während der Migrationskrise nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert hätten.
Lengsfeld sprach sich im weiteren Verlauf für mehr Toleranz gegenüber der AfD in den Parlamenten aus. Nur der demokratische Umgang und eine faire inhaltliche Auseinandersetzung könnten verlorengegangenes Vertrauen wiedergewinnen. Seidel wanddagegen ein, dass die AfD nicht kompromissbereit sei und Rechtsextremisten in der eigenen Partei dulden würde.
Am Ende der Veranstaltung stimmten sowohl Lengsfeld als auch Seidel darin überein, dass man trotz echter Differenzen gut miteinander streiten konnte. Auch viele Zuschauer waren angetan von dem Format. Selten habe man einen so ehrlichen und kritischen, aber auch respektvollen Dialog zwischen den politischen Lagern erlebt.