SCHWERIN. Die Debatte um die Impfstoffbeschaffung reißt nicht ab. Nur etwas über 4% der Bevölkerung haben bisher in Mecklenburg-Vorpommern eine Erstimpfung gegen Covid-19 erhalten. In diesem Tempo würde eine Herdenimmunität wohl nie erreicht werden. Die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) lehnt trotzdem eine Bestellung seitens des Landes kategorisch ab.
Regierungssprecher senkt Erwartungen auf Alleingang
Gegenüber der Schweriner Volkszeitung antwortete am 08. Februar ihr Sprecher Andreas Timm: „Es gab von Anfang an eine klare Verabredung zwischen Bund und Ländern. Der Bund beschafft zentral den Impfstoff. Die Länder kümmern sich um die Infrastruktur, also zum Beispiel um Impfzentren und mobile Teams. Angesichts der Tatsache, dass überall in Deutschland große Mengen an Impfstoff benötigt werden, ist das auch eine vernünftige Lösung.“ Ähnliche Töne des Koalitionspartners ihrer Partei kommen vom Abgeordneten und gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Sebastian Ehlers.
Ein eigenes Anreizsystem könnte helfen
Die Staatskanzlei will weiterhin lediglich auf die zugeteilten Lieferungen des Bundes warten. Das ist durchaus überraschend, da Schwesig und SPD-Fraktionschef Thomas Krüger eher unzufriedene Töne gegenüber Bund und EU äußerten. Zudem war es laut der Ministerpräsidentin oberstes Ziel eine „Immunität durch Impfungen“ zu erreichen. Dies betonte sie noch einmal ausdrücklich während der Sondersitzung des Landtages im Januar. Infektionen sollten vermieden werden.
Dabei könnte die Beschaffung von Impfstoff viel Geld bedeuten. Gesundheits- und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) tönte auf einer Konferenz am Dienstag hingegen, er wolle die Produktion nach Mecklenburg-Vorpommern holen: „Wir sind bereits aktiv geworden und haben Kontakt zu möglichen Produzenten im Land sowie zu den Lizenzinhabern gesucht.“ Vielversprechende Gespräche mit Unternehmen wie Miltenyi Biotech oder Euroimmun sollen bereits laufen. Impfstoffproduktion auf Lizenz könnte zumindest einiges an Steuern für das Land und die jeweiligen Kommunen generieren.
In einer jüngst veröffentlichten Studie des Ifo-Instituts plädieren die Autoren Clemens Fuest und Daniel Gros dafür „marktbasierte Anreize zu setzen“, um die Produktion hochzufahren. Eine Impfdosis würde ca. 1500 Euro an Lockdown einsparen. Von daher sei es durchaus sehr ökonomisch gedacht, mehr Geld für Impfstoffe zu bieten. Wäre dies ein Weg für Mecklenburg-Vorpommern?
Eine Dosis mRNA-1273 von Moderna kostet ca. 30,45 EUR. BNTT162b2 von Pfizer und BioNTech ist etwas günstiger mit 16,50 EUR. Das britisch-schwedische Vakzin ChAdOx1 nCoV-2019 von der Oxford Universität und AstraZeneca schlägt sich günstig mit nur 3,30 EUR im Preis wieder.
Nach aktuellen Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit wurden über die EU 10,3 Millionen Dosen BioNTech/Pfizer-Impfstoff, 1,8 Millionen Moderna-Impfdosen und 5,6 Millionen AstraZeneca-Dosen bestellt. Dies wären 17,7 Millionen Impfdosen. Dies soll die Planung bis zum Sommer sein.
Jeder Tag Lockdown bedeutet Haft im Schuldturm
Der zweite Lockdown wird die deutsche Konjunktur weiterhin dämpfen. Eine Pressemitteilung ebenfalls des Ifo-Instituts vom 10.02.2021 gibt düstere Aussichten. Pro Woche entgeht der Bundesrepublik eine Wertschöpfung in Höhe von 1,5 Mrd. Euro. Zahlen des Statistikamtes hier im Land gibt es noch nicht. Etwa 1,4% betrug der Anteil Mecklenburg-Vorpommerns am gesamtdeutschen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2019. Das wären unsauber überschlagen 21 Millionen Euro Defizit in der Woche für Mecklenburg-Vorpommern.
Die Wirtschaftsleistung rutscht dabei hauptsächlich in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen ins Negative. Dort wo soziale Kontakte ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells sind. Zu diesen Branchen zählt beispielsweise das für Mecklenburg-Vorpommern essentielle Gastgewerbe, die Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen oder Kosmetiksalons. Sie zogen das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2020 um etwa einen halben Prozentpunkt nach unten. Im ersten Quartal 2021 sinkt das Wirtschaftsgeschehen wahrscheinlich nochmals um knapp einen Prozentpunkt. Insgesamt dürfte die reale Wirtschaftsleistung in den betroffenen Zweigen im ersten Quartal 2021 um etwa 20 Milliarden Euro niedriger liegen als im vierten Quartal 2019, dem letzten Vorkrisenquartal. Da die Industrie- und Baukonjunktur jedoch weiterhin stabil bleibt, wird das Schlimmste abgewehrt. Mecklenburg-Vorpommern dürfte es im Bundesländervergleich wieder durchschnittlich stark betreffen. Amtliche Zahlen gibt es noch nicht, aber die Nord LB schätzt in ihrem Konjunkturausblick 2021: „Für Mecklenburg-Vorpommern erwarten wir vor dem Hintergrund der vorstehenden Erörterungen in 2020 einen realen BIP Rückgang von -4,4% und für 2021 wieder ein Wachstum von 3,0%.“
Weitere Forderungen stellt die AfD
AfD-Politiker Leif-Erik Holm stößt in ein anderes Horn. Er will Impfstoffe aus der Russischen Föderation beschaffen lassen. Der Landesvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion hat gegenüber Russia Today Deutschland ein bundesdeutsches, EU-unabhängiges Zulassungsverfahren für den Impfstoff Sputnik V gefordert.
Er erklärte in einem Video des russischen Nachrichtensenders: „Wenn die EU hier nicht ein Zulassungsverfahren in Gang setzt, obwohl das ein vielversprechendes Medikament ist, aus politischen Gründen, dann sollten wir selbst in Aktion treten. […] Im Moment suchen wir händeringend nach Impfstoff. Es funktioniert ja alles nicht. Wir erleben das EU-Impfdesaster, was dafür sorgt, dass Sie eben nicht rechtzeitig Impfstoff bekommen. Und wenn tatsächlich Sputnik V so ein wirksamer Wirkstoff ist, also wirksamer als AstraZeneca beispielsweise, dann sollten wir den natürlich nutzen, wenn das möglich ist.