„So isser, der Ossi“ – Debatte in Schwerin

SCHWERIN. 25.08.2022 Julian Bolte                                                                                               

Am 24.08.22 fand unter Führung der „Deutschen Gesellschaft e.V.“, in Kooperation mit der „Schweriner Volkszeitung“ und der „Otto Brenner Stiftung“, ein Infoabend mit einer Bürgerdebatte im „Ludwig-Bölkow-Haus“ der IHK zu Schwerin statt. Der Titel lautete: „So isser, der Ossi!“

Viele bekannte Medienvertreter

Die eingeladenen Diskutanten waren Marieke Reimann (zweite Chefredakteurin des SWR), Heiko Hilker (Geschäftsführer des Dresdner Instituts „DIMBB“), Michael Seidel (Chefredakteur der „Schweriner Volkszeitung“) und Carsten Schneider (Ostbeauftragter der Bundesregierung, SPD). Zu Beginn der Veranstaltung gab es jeweils ein paar Grußworte von Dr. Lars Lüdicke (Mitglied der Geschäftsführung „Deutsche Gesellschaft e.V.“), als auch von Dr. Lutz Mükke (Medienjournalist und Autor der „Otto Brenner Stiftung“).

Sind „Ossis“ medial schlecht dargestellt?

Daraufhin gab es einen Impulsvortrag von Marieke Reimann. Sie rekurrierte auf Ihre Erfahrungen im Umgang mit „den Ossis“ in den Medien. Sie wies im Weiteren daraufhin, wie abwertend, beispielsweise. der „SPIEGEL“, die Ostdeutschen teilweise auf dem Cover darstellte und führte bildliche Beispiele an. Auch ging es um die Spitzenpositionen von Ostdeutschen in Vorständen von privaten Medienkonzernen, Intendanzen von ARD/ ZDF, Chefredaktionen der ARD, sowie bei überregionalen Zeitungen. Sie machte es kurz und stellte klar, dass die Bilanzen nicht sonderlich positiv für „den Ossi“ ausfallen.

Führungspersonen mit DDR-Sozialisierung oder deren Nachkommen findet man kaum in den Redaktionsstuben und Medien

Anschließend startete dann die Debatte. Innerhalb eines mehrgliedrigen Stuhlkreises nahmen die Gastdiskutanten Platz. Reihe um Reihe saßen Bürger aus unterschiedlichen demographischen Gruppen und mit mannigfaltigen soziokulturellen Hintergründen, jeder schien seine eigenen Erfahrungen mitzubringen.  Frau Reimann stellte gleich zu Beginn klar, dass Ihr eine feministische Sicht auf die Dinge nicht fremd sei und es überraschend ist, dass wenn jemand aus Ostdeutschland es in die Chefredaktionen der großen Medienanstalten schafft, es hauptsächlich Frauen sind. Fortsetzend klärte Sie über Ihren Werdegang als Ostdeutsche in den Medienanstalten auf. So sagte Sie: „Nie hätte ich es für möglich gehalten, mit Mitte 20 schon, bei einem großen, überregionalen Medium, wie der „ZEIT“ zu arbeiten.“ Noch glücklicher mache es Sie, als Frau und Ostdeutsche im Alter von 34 Jahren, zweite Chefredakteurin des „SWR“ (Öffentlich-rechtlicher-Rundfunk) zu sein.

Bürger teilten ihre Erfahrungen

Die erste Frage einer Bürgerin zielte darauf ab, wieso die Ostdeutschen scheinbar, auch medial, unter sich bleiben möchten und kaum überregionale Medien lesen. Der Chefredakteur der „SVZ“, Michael Seidel stellte fest, dass dies auch im Gewissen Maße mit dem Treuhandbeschluss der Volkskammer, tausende Betriebe so rasch zu privatisieren, zusammenhänge. Im Weiteren stimmte er zu, dass die Ostdeutschen kaum für überregionale Medien greifbar wären. „Der Ossi“ sei auch sehr regional verbunden und sei der Stigmatisierung einiger westdeutscher Leitmedien überdrüssig geworden.

Ein älterer Herr sprach dann genau diese Stigmatisierungen und seine Erfahrung damit, nochmal an. Herr Seidel, als auch Herr Schneider stimmten zu und kritisierten das mediale Framing über die Ostdeutschen, ohne dabei weiter ins Detail zu gehen. In einem kurzen Zwischengespräch unter den Diskutanten, stellte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider lachend fest, dass man auch bei den Fragestellern unbedingt eine Quote einhalten sollte, damit Frauen nicht zu kurz kommen.

AfD-Mann polarisierte – erhielt dafür Applaus

Kurz vor Schluss meldete sich Enrico Schult, Landtagsabgeordneter und Landesvorsitzender der AfD-MV. Herr Schult wollte wissen, wie Herr Schneider zu einer Aussage seines Vorgängers, dem ehemaligen Ostbeauftragen der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, stehe. Dieser sagte 2021: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“. Des Weiteren stellte Wanderwitz damals fest: „Ein Teil der ostdeutschen Bevölkerung hat gefestigte, nichtdemokratische Ansichten“. Herr Schneider erklärte hierzu, dass er sich diese Äußerung nicht zu Eigen mache und dem auch nicht zustimme. Dies sah Herr Seidel anders und sagte, dass er den Grundtext von Herrn Wanderwitz schon etwas abgewinnen könne.

AfD-Politiker Enrico Schult rechts in der Runde; Carsten Schneider der Ostbeauftragte ganz links

In einer weiteren Frage bezog sich Schult auf eine repräsentative Umfrage des Instituts „Demoskopie Allensbach“, in der festgestellt wurde, dass fast 50% der Befragten in den ostdeutschen Bundesländern angaben zu glauben, dass sie in einer „Scheindemokratie“ leben. Genauer wollte er nun wissen, ob nicht auch die öffentlich-rechtlichen Medien an dieser Skepsis eine Mitschuld hätten. Nach dieser Frage kam es dann zu einem doch rechten breiten Applaus der Bürger für den Landtagsabgeordneten der AfD. Herr Schneider antwortete dann jedoch recht kurz und wies darauf hin, dass der ÖRR einen wichtigen Teil zum Meinungsbildungsprozess beitrage, dass auch der Rundfunkbeitrag gerechtfertigt sei, wenn man eine „staatsferne“ Berichterstattung wertschätze und fördern möchte. Abschließend sagte er, dass „wir in Deutschland in einer stabilen Demokratie leben“.

Publikationen und Essen zum Abschluss

Augenscheinlich war es für einige der Bürger eine durchwachsene Veranstaltung, mit Lichtblicken, als auch mit kleinen Enttäuschungen. Am Ende durften die Bürger noch einen Bewertungsbogen für die Veranstaltung ausfüllen, sich am Buffet einen Happen gönnen, Publikationen mitnehmen und den regen Austausch untereinander fortsetzen.

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