Tollenseetal: Theorien zur ältesten Schlacht der Welt

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Neubrandenburg (dpa/mv; Birgit Sander, dpa)

Als im Tollensetal 1996 jahrtausendealte Waffen und Menschenknochen mit Hieb- und Stichverletzungen entdeckt wurden, war es mit der schönen Idee einer friedvollen Bronzezeit vorbei. «Bis Mitte der 1990er Jahre galt die Bronzezeit als friedliche, fast ideale Welt», sagte der Landesarchäologe Detlef Jantzen. Sie sei Archäologen und Historikern als eine von technischen Innovationen wie der Metallverarbeitung geprägte Welt erschienen, «das erste Goldene Zeitalter».

Nun verriet der Moorboden im Tal des Flüsschens Tollense nördlich von Neubrandenburg brutale Gewalt vor rund 3250 Jahren in Mitteleuropa. Das entzauberte die Bronzezeit, aus der zuvor nur die Schlacht von Kadesch in Syrien als älteste kriegerische Auseinandersetzung bekannt war. Doch kämpften im Tollensetal tatsächlich Krieger gegeneinander? Jantzen bringt eine andere Erklärung ins Gespräch.

Im Boden wurden nicht nur Schwerter, Lanzenspitzen, Pfeilspitzen und Holzkeulen gefunden. «Stutzig machten uns Goldringe und andere Gegenstände, die man der Elite zurechnen muss», sagte der Archäologe. Auch Werkzeuge wie Hammer und Amboss, Zinnringe und Trachtenbestandteile von Frauen wurden ausgegraben, darunter Gewandfibeln und eine Gürteldose aus Bronze.

An den Skeletten ist nach seinen Worten erkennbar, dass es sich offensichtlich nicht um Bogenschützen handelte. Die Oberkörper der Menschen seien eher wenig belastet gewesen, ihre Beine dagegen stark, als seien sie viel gelaufen und hätten schwere Lasten getragen.

«Die Interpretation eines Schlachtfeldes ist nicht die einzige Option», sagte Jantzen daher. Denkbar sei auch, dass eine Handelskarawane an einer Flussquerung, die an der Tollense noch heute nachweisbar ist, in einen Hinterhalt geriet und überfallen wurde. Solche Karawanen, die Fernhandel betrieben, seien sicherlich von Bewaffneten begleitet worden, so dass es dort zu einem Gemetzel kam.

Die Untersuchung der DNA von zwölf Männern und zwei Frauen, deren Knochen ausgegraben wurden, zeigte, dass ihr Erbgut dem der heutigen Nord- und Mitteleuropäer ähnelt. Es sei sehr inhomogen, sie seien also nicht miteinander verwandt gewesen. Daraus schlussfolgern die Wissenschaftler, dass es sich nicht um Einheimische und Fremde handelte, die gegeneinander kämpften, und nicht um eine Invasionsarmee, die aus dem Süden kam.

Auch die Zahl der Teilnehmer an der Auseinandersetzung sieht Jantzen heute weniger hoch als vor Jahren, als vermutet wurde, dass Tausende Krieger aufeinander stießen. «Die Zahl wiederhole ich nicht», sagte er. Mehr als 12 000 menschliche Knochen wurden geborgen, etwa 140 Individuen von Anthropologen untersucht. Sie seien überwiegend an Stich- und Schnittverletzungen gestorben, zum Teil steckten noch Pfeilspitzen in den Knochen.

Jantzen geht davon aus, dass die Mehrheit der Gefundenen zu den Besiegten zählte. Die Sieger hätten ihre Toten vermutlich mitgenommen und beigesetzt. Allerdings wurden auf den Flächen ringsum keine bronzezeitlichen Gräber gefunden. Die Opfer seien geplündert und liegengelassen worden. Ein weiteres Indiz, dass es sich nicht um eine Reiter-Schlacht handelte, ist die Beschaffenheit der Pferdeknochen. Die Pferde waren eigentlich nicht alt genug zum Reiten, hätten die Untersuchungen ergeben. Sie könnten als Handelsware mitgeführt worden sein.

«Die Interpretation des Vorfalls im Tollensetal ist noch nicht abgeschlossen», sagte Jantzen. «Wir werden weiter ermitteln.» Ende dieses Jahres will das Pommersche Landesmuseum in Greifswald die Ausstellung «Blutiges Gold» mit Funden aus dem Tollensetal zeigen. Zuvor war sie in Neubrandenburg und in Groß Raden zu sehen. Mecklenburg-Vorpommern hat noch kein Archäologisches Landesmuseum.

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