Topografie der Alleinherrschaft: Schwesig baut auf Macht

Manuela Schwesig (SPD) hat ein schweres Erbe angetreten. Durch das Krebsleiden von Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) wurde ihr der Herrscherstab im Schweriner Schloss und die Krone der Landes-SPD angetragen. Sellering war beliebt und holte über Jahre fulminante Ergebnisse für die SPD ein.

Am 2. Juli 2017 übernahm Manuela Schwesig den Vorsitz der Landes-SPD. Am 4. Juli 2017 wurde Schwesig mit der Mehrheit der SPD- und CDU-Koalitionäre zur Ministerpräsidentin im Landtag gewählt. Nach kurzer Zeit schon wurden die schweren Metallschilder vor der Staatskanzlei ausgetauscht und ein neuer Organisationserlass wurde verabschiedet. Der einzige Unterschied zu vorher? Statt „Ministerpräsident“ stand nun überall „Ministerpräsidentin“. Es sah danach aus, dass Mecklenburg-Vorpommern, mit ein bisschen feministischem Klimbim und weiblichem Zinnober, nun wieder zum üblichen Tagesgeschäft hinübergeht.

Rotes Kleid statt dunkler Anzug war aber nicht alles. Manuela Schwesig hat andere Pläne. Mit Mikro-Politik versucht sie ihren Einfluss auszubauen und Abhängigkeiten zu schaffen, die auf einem reziproken Austauschverhältnis beruhen:

Ich setze dich ein – du bekommst viel Geld – Bist du mir dankbar?

Was klingt wie ein kalifornischer Polit-Schauerfilm oder Bakschisch-Wirtschaft in einem nordafrikanischen Clan-Staat ist längst Realität in Mecklenburg-Vorpommern. Eine ganze Kompanie an Höflingen steht Schwesig mittlerweile zur Verfügung. Es ist auch nicht unbedingt normal, dass bei gleichen politischen Verhältnissen innerhalb einer Legislaturperiode derartig umgebaut wird. Aber wie fing es an.

Am 09.01.2018 meldete der Nordkurier, dass Pirko Zinnow (SPD) neue Chefin der Landesbehörde „Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen“ wurde. Ihre Stelle in der Landesvertretung in Berlin wurde an eine ehemalige Vertraute Schwesigs, nämlich Bettina Martin (SPD) vergeben. Beide kennen sich noch aus dem Bundesfamilienministerium, wo Martin als Büroleiterin für Schwesig arbeitete.

Kurz darauf begann der Austausch des Chefs der Staatskanzlei. Reinhard Meyer (SPD) wurde aus Schleswig-Holstein nach Schwerin geholt und auf den hochdotierten Posten gesetzt. Der ehemalige Wirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein wurde nach der Wahl in Kiel nicht wieder eingesetzt. Ohne Stellenausschreibung wurde der bisherige Staatssekretär Christian Frenzel (SPD) wiederum zum Vorsitzenden des Oberlandesgerichts Rostock ernannt. Der Richterbund aus Mecklenburg-Vorpommern übte massive Kritik.

Am 22.08.2018 berichtete der NDR über Schwesigs zweiten Vorstoß in die Unabhängigkeit der Justiz einzugreifen. „Die Ernennung des Abteilungsleiters bei der Generalstaatsanwaltschaft, Martin Fiedler, habe sie über Monate blockiert, obwohl das Auswahlverfahren längst abgeschlossen gewesen sei und es keine Bewerberinnen gegeben habe. Außerdem sei ihr Ex-Staatskanzleichef Christian Frenzel (SPD) ohne Ausschreibung eigenmächtig an das Oberlandesgericht Rostock versetzt worden.“ zitierte der NDR den Richterbund M-V. Hinter dem Vorstoß steckte demnach der Wille insbesondere Frauen und SPD-Parteibuchbesitzer in Position zu bringen.

Zwei Monate später, am 22.10.2018 baute Schwesig weiter in der Staatskanzlei und im Finanzministerium um. Bernd Nübel, zuständig für Personal, Medienrecht und internationale Angelegenheiten, wurde ins Energieministerium abgeschoben. Der Stellvertreter des Staatskanzlei-Chefs wurde ausgetauscht gegen Carola Voss, die bisher Aufgaben im Finanzministerium inne hatte.

Mitte November begann schließlich das Theater um Herrn Schwesig. Herr Schwesig, Ehemann von Manuela Schwesig, trat bisher kaum in Erscheinung. Umso stärker waren die Wellen die er schlug. Er leitete ein selbst verfasstes Papier intern weiter, das das Ansehen der Mülldeponie Ihlenberg im Nachhinein beschädigen sollte. Der Landesbeamte war 14 Jahre Controller auf der Mülldeponie Ihlenberg. Er warf der Deponie nun plötzlich vor, dass sie seit Jahren systematisch die Grenzwerte von Schadstoffen bei der Lagerung von Müll überschritten hätten. Zahlreiche Müllanlieferungen mit Schwermetallen haben deutlich die Verordnungen ignoriert. Das Ansehen der Deponie wurde immens beschädigt. Die rechtliche Aufsicht im CDU-Wirtschaftsministerium reagierte mit der Erstellung eines Gutachtens. Die Linken forderten gar einen Untersuchungsausschuss. Die AfD verhielt sich neutral und inspizierte später erst einmal die Deponie. Das Interessante an der ganzen Sache war, dass Stefan Schwesig kurz darauf seinen hochbezahlten Posten im Landesforst antrat. Das Gutachten stellte fest, dass es nichts zu bemängeln gab. Bei der Inspektion der Mülldeponie durch die AfD-Fraktion Anfang 2019 stellte sich heraus, dass ein Bohei um nichts gemacht wurde. Die Fraktion veröffentlichte dazu sogar einen Kurzfilm. Was der Grund für den Vorstoß war, den Herr Schwesig sicherlich im Ehebett mal mitgeteilt hatte, ist nicht zu klären. Warum Frau Schwesig ihn gewähren ließ, muss aber politische Hintergründe haben.

Nicht nur Herr, sondern auch Frau Schwesig agierte Mitte November mikropolitisch ungeschickt. Laut Nordkurier vom 16.11.2018 soll sie nur kurz darauf erneut versucht haben, einen Seilschafter in Position zu bringen. Es soll den Versuch gegeben haben, eine Ausschreibung der landeseigenen Lotto-Gesellschaft zu unterbinden. Der Vertrag der damaligen Geschäftsführerin Barbara Becker-Hornickel sollte auslaufen. Schwesig wollte den Posten mit eigenem Personal besetzen.

Am 26.03.2019 folgte schließlich ein weiterer Schachzug. Schwesig platzierte ihren Vertrauten Heiko Geue (SPD), einen schon oft in Graubereiche geratenen Parteipolitiker, als Staatssekretär im Finanzministerium. Der Vorgänger Peter Bäumer wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt – offiziell aufgrund seiner Erkrankung.

Die linke Oppositionspolitikerin Simone Oldenburg, kommentierte den Postenwechsel gegenüber dem NDR: „Der Finanzminister bekommt einen verlängerten Arm der Ministerpräsidentin als Aufpasser.“

Im gleichen Zug wurde Susanne Bowen (SPD), Tochter der früheren Oberbürgermeisterin von Wismar, Rosemarie Wilken (SPD), Staatssekretärin im Bildungsministerium – offiziell trat er bisherige Staatssekretär aus familiären Gründen zurück. Besonders pikant ist an der Sache, dass Bowen sich für zwei andere Stellen in Ministerien zuvor beworben hatte. Dort wurde sie laut Nordkurier-Informationen nicht genommen. Da reichte wohl an Qualifikation für Schwesig, sie gleich an die Spitze zu setzen.

Aber nicht nur sie selbst, sondern eine breite Riege um das Schwesig-Lager bedient sich ohne Scheu und Scham. Schwesig weiß wahrscheinlich darum, doch sie greift nicht ein. Am 04.04.2019 wurden in den Medien weitere Details um die Personalpolitik der SPD bekannt. Der ohnehin dubiose Posten des „Vorpommern-Staatssekretärs“ für Patrick Dahlemann (SPD), der noch nicht einmal über abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, ist umstritten und gilt für viele als unfassbar überbezahlt. Es wurde hinzukommend aber bekannt, dass Dahlemanns Mutter im SPD-Büro der EU-Abgeordneten Iris Hoffmann (SPD) arbeitet. Ebenfalls eine gute Stelle. Ein großes Herz für Parteifreunde hat Iris Hoffmann auch für Frau da Cunha, die Ehefrau des Landtagsabgeordneten Philip da Cunha (SPD). Auch sie wird als Wahlkreismitarbeiterin auf Steuerzahlerkosten beschäftigt.

Brodkorb dankt ab, M-V schaut zu

Am 29.04.2019 kam schließlich der Paukenschlag. Finanzminister Mathias Brodkorb (SPD) brannten die Nerven durch. Vor allem das Einmischen in Personalangelegenheiten in seinem Ministerium durch einen „Schwesig-Aufpasser“ veranlasste ihn dem Anschein nach dazu, das Handtuch zu werfen.

Am gleichen Tag, nur wenige Stunden später setzte Schwesig ihre rechte Hand, Reinhard Meyer (SPD), wie bestellt, auf den Finanzministerposten. Heiko Geue (SPD), also derjenige, wegen dem Brodkorb unter anderem zurücktrat, wurde nun Chef der Staatskanzlei an Schwesigs Seite.

Die Geschichte wird fortgesetzt.



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