Eine Person hält 12 Euro in der Hand. Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration
Lange wurde um die spürbare Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns gerungen. Nun tritt er in Kraft. Die Auswirkungen sind in keinem anderen Bundesland mehr zu spüren als in Mecklenburg-Vorpommern.
Schwerin/Berlin (dpa/mv) – Die zum 1. Oktober wirksame Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro brutto je Stunde sorgt bei vielen Arbeitnehmern in Mecklenburg-Vorpommern für höhere Verdienste. Wie aus Erhebungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht, profitieren im Nordosten rund 196.000 Arbeitnehmer von der Anhebung der Lohnuntergrenze. Der Studie zufolge verdienten in ganz Deutschland rechnerisch bislang 6,64 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger als 12 Euro je Stunde.
Mit 31 Prozent weist Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich aller Bundesländer den höchsten Anteil auf, im touristisch geprägten Landkreis Vorpommern-Rügen sind es gar 39 Prozent. Bundesweit liegt er bei 17,8 Prozent, in Hamburg bei 14,7 Prozent, wobei Teilzeitbeschäftigte und Minijobber am stärksten betroffen sind. Experten werten die spürbaren Auswirkungen des neuen Mindestlohns im Nordosten als Beleg für das insgesamt sehr niedrige Einkommensniveau im Land.
Vor allem Frauen und geringfügig Beschäftigten helfe die neue Lohnuntergrenze, sagte Ingo Schlüter, stellvertretender Vorsitzender des DGB Nord. In Branchen wie dem Gastgewerbe, bei Lieferdiensten und im Einzelhandel verweigerten Arbeitgeber den Beschäftigten oft anständige Löhne, in Betrieben ohne Tarifvertrag würden besonders häufig Niedriglöhne gezahlt. «Der gesetzliche Mindestlohn ist auch ein Mittel gegen Lohndumping-Konkurrenz durch Unternehmen, die sich Tarifverträgen verweigern», sagte Schlüter. Bei den Unternehmerverbänden war die neue gesetzliche Lohnvorgabe auf massive Kritik gestoßen.
«Der Mindestlohn kann immer nur die unterste Haltelinie sein», betonte Schlüter und verwies auf die jüngsten Preissteigerungen. «Viele machen sich aktuell ernsthafte Sorgen, was im Herbst und Winter auf sie zukommt. Die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise kann auch der neue Mindestlohn nicht auffangen», sagte Schlüter. Er forderte die Bundesregierung auf, schnellstens einen Energiepreisdeckel und eine Energiepreispauschale zu beschließen. Zur Finanzierung sollten übermäßige Gewinne der großen Energie- und Mineralölkonzerne abgeschöpft werden.
Der Linken-Landtagsabgeordnete Henning Foerster begrüßte die Anhebung des Mindestlohns. «Aber so richtig und wichtig dieser Anstieg auch ist, zeigt er auch, dass hierzulande viel zu niedrige Löhne gezahlt werden. Auch 12 Euro Mindestlohn werden die vielen Beschäftigten nicht vor Altersarmut schützen», sagte Foerster. Erst ein Mindestlohn von 13 Euro würde dafür sorgen, dass Beschäftigte nach 45 Arbeitsjahren nicht nur die Mindestrente erhalten. Auch Foerster mahnte angesichts der gegenwärtigen Lage weitere Entlastungen an, «da sonst die Lohnsteigerungen verpuffen».