Die leere Bundesautobahn A20 bei Rostock. Foto: Frank Hormann/dpa (Foto: dpa)
Rostock/Schwerin/Stralsund (dpa) – Mit landesweiten Blockadeaktionen haben Bauern auch in Mecklenburg-Vorpommern ihren Unmut über geplante Subventionskürzungen der Bundesregierung Luft gemacht. Am Montag waren ab 6.00 Uhr morgens praktisch alle Autobahnzufahrten im Land für drei Stunden dicht.
An der A20-Anschlussstelle Rostock-Südstadt blockierten mehr als ein Dutzend große Traktoren sowie Lkw beide Auffahrten. Sie führten unter anderem Transparente mit Aufschriften wie «Stirbt der Bauer, stirbt das Land» mit. Am Rügenzubringer der A20 auf der B96 waren rund 40 bis 50 Traktoren in Kolonne unterwegs.
Der Landesbauernverband sprach von mehr als 3000 Landwirten und Spediteuren und mehr als 1500 Traktoren und Lastwagen, die die Auffahrten blockiert hätten. Unter dem Motto «zu viel ist zu viel» forderten sie unter anderem die Steuerbegünstigung für den Agrardiesel entgegen Plänen der Bundesregierung beizubehalten.
Mit Blick auf die Beteiligung sprach Landesbauernpräsident Detlef Kurreck von einem großen Erfolg. Man sei dialogbereit. Das erwarte man aber auch von der Politik. Die geplanten Streichungen beim Agrardiesel waren seiner Aussage nach «der letzte Tropfen, der bei uns Landwirten das berühmte Fass zum Überlaufen gebracht hat.» Seit Jahren seien Landwirte immer wieder mit neuen Auflagen, Maßnahmen und Gesetzen drangsaliert worden, die die Liquidität der Betriebe bedrohten.
Die Schweriner Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) forderte die Ampel-Koalition in Berlin auf, die geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft vollständig zurückzunehmen. «Die Bauern sind stinksauer. Und das zu Recht», weil ihnen über Nacht ohne Vorankündigung Finanzierungsgrundlagen entzogen werden sollten.
Landeslandwirtschaftsminister Till Backhaus (ebenfalls SPD) lobte ausdrücklich die gute Organisation der Proteste und dankte sowohl dem Bauernverband als auch Polizei und Innenbehörden. Alles sei sehr friedlich und an der Sache orientiert verlaufen.
Großen Zulauf erhielt auch der Protestaufruf der Initiative «Unternehmeraufstand MV». Tausende Menschen beteiligten sich aus Protest gegen die Bundespolitik an Autokorsos. Die meisten Teilnehmer verzeichnete laut Polizei am Montag ein Autokorso in Neubrandenburg mit 2400 Fahrzeugen. In Stralsund waren es den Angaben zufolge rund 1000, in Rostock rund 850 und in Greifswald 800, wobei zur dortigen Abschlusskundgebung mehr als 100 weitere Fahrzeuge aus der Umgebung dazustießen, wie eine Polizeisprecherin am Montagnachmittag sagte. Nach den Fahrten gab es Abschlusskundgebungen.
Auch in der Landeshauptstadt Schwerin war der Fahrzeugverkehr am Morgen zeitweise lahm gelegt. Bei einer Protestkundgebung vor dem Schweriner Schloss forderten rund 550 Menschen grundlegende Änderungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In Stralsund gab es eine Versammlung auf dem Alten Markt, an der laut Polizei rund 3500 Menschen teilnahmen – und 30 Fahrzeuge.
Die Initiative «Unternehmeraufstand MV» bekundete ihre Solidarität mit demonstrierenden Landwirten. Die Vereinigung der Unternehmensverbände MV hatte sich jedoch von Protestaufrufen der Initiatoren distanziert. Sie seien aus Corona-Zeiten bekannt und versuchten, die Situation zum wiederholten Mal zu nutzen, um Aufruhr zu schüren, hieß es. Auf ihrer Website fordert die Initiative unter anderem die Rücknahme von Russland-Sanktionen.
Zeitweise war die Rügenbrücke durch den dortigen Korso blockiert. Nur der Rettungsweg war frei. Neben der Rügenbrücke gibt es noch den älteren Rügendamm als weitere Inselzufahrt. Der anschließende Konvoi durch Stralsund war nach Polizeiangaben 20 Kilometer lang. Die Anmelder der Sternfahrt auf Stralsund sind nach dpa-Informationen in der Vergangenheit als Anmelder von Montagsdemos in Erscheinung getreten, etwa im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Auch der deutsch-polnische Grenzübergang bei Linken war zeitweise blockiert, ebenso die südliche Zufahrt auf die Insel Usedom. Wegen der dortigen Blockade ermittelt die Polizei. Es seien strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen Versammlungsauflagen eingeleitet worden, teilte sie am Montag mit. Der Bauernverband Ostvorpommern hatte die Zufahrt über die Zecheriner Brücke nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden Jörg Espig am Montag von 6.00 bis 14.00 Uhr blockiert mit zwischenzeitlichen Öffnungen für Rettungsdienste. Laut einer Allgemeinverfügung des Landkreises hätte die Blockade der dortigen Bundesstraße nur 20 Minuten dauern dürfen, sofern nicht Ausnahmen zum Tragen kommen.
Nach Angaben der Polizei verliefen die angemeldeten Aktionen des Landesbauernverbandes friedlich und kooperativ. Innenminister Christian Pegel (SPD) sprach den Organisatoren des Bauernverbandes dafür seinen Dank aus, verwies zugleich aber auf die erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen. An mehr als 50 Autobahnauffahrten hätten die Landwirte für Blockaden gesorgt. Zudem habe es mehr als 40 weitere angemeldete Versammlungen und Kundgebungen gegeben.
Neben 1700 Traktoren und Lastwagen habe die Polizei auch etwa 7300 Fahrzeuge bei Autokorsos in mehreren Städten des Landes gezählt. Seit den frühen Morgenstunden seien mehr als 1100 Polizeibeamte im Einsatz gewesen. Sie hätten dafür gesorgt, dass die Landwirte ihr Versammlungsrecht ausüben konnten und gleichzeitig den Verkehr geregelt. Auch Pegel mahnte den Bund, die Sorgen der Bauern ernst zu nehmen und rasch Lösungen zu finden.
Unterdessen haben die Landwirte schon die nächsten Aktionen angekündigt. An diesem Donnerstag wollen die Landwirte mehrere Lebensmittel-Logistikzentren im Land ansteuern, wie der Verband am Montag mitteilte. Die Details würden noch geklärt, sagte eine Sprecherin. Es werde wahrscheinlich Traktorkorsos geben. Für Montag nächster Woche plant zudem der Deutsche Bauernverband (DBV) eine Großdemonstration in Berlin. Auch diese wird nach eigenen Angaben vom Landesbauernverband unterstützt.
Für Behinderungen könnte schon vorher der angekündigte Lokführerstreik der Gewerkschaft GDL sorgen. Diese will im Personenverkehr von Mittwoch, 2.00 Uhr, bis Freitag, 18.00 Uhr, streiken. Ein Sprecher der Deutschen Bahn verwies am Montag auf einen Eilantrag der Bahn beim Arbeitsgericht Frankfurt auf einstweilige Verfügung zum Stopp des Streiks. Nach Ansicht des Konzerns hat der Ausstand keine rechtliche Grundlage.