Innenministerium nahm Hinweis zu Amri-Helfern nicht ernst

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Berlin (dpa)

Ein Verfassungsschützer aus Mecklenburg-Vorpommern ist im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz erheblich in Erklärungsnot geraten. Nach Einschätzung von Teilnehmern seiner geheimen Zeugenvernehmung konnte der frühere Referatsleiter am späten Donnerstagabend nicht schlüssig erklären, weshalb er im Februar 2017 den Hinweis eines Mitarbeiters auf mögliche Hintermänner des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri aus dem Berliner Clan-Milieu nicht an Ermittler oder das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergegeben hatte.

Ein Mitarbeiter seines Referats, der den Hinweis eines Informanten damals für glaubwürdig hielt, hatte sich den Angaben zufolge schließlich – Jahre später – aus Angst vor weiteren Anschlägen aus diesem Kreis an andere Vorgesetzte und auch an den Generalbundesanwalt gewandt.

Diesen Hinweis damals nicht weiterzuleiten, «war ein Versäumnis, dass nicht nur die Aufklärung des schlimmsten islamistischen Anschlags in der Bundesrepublik gebremst hat, sondern zudem höchst risikobeladen war», sagte die Grünen-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Irene Mihalic, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Nach dieser Vernehmung habe ich den Eindruck, dass die Entscheidung, so einen Hinweis nicht weiterzugeben, rechtswidrig war», kommentierte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser.

Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen gekapert und den Fahrer getötet. Anschließend raste der Tunesier mit dem Fahrzeug über den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, wo elf weitere Menschen starben und Dutzende verletzt wurden. Wie es Amri, der später in Italien von der Polizei erschossen wurde, nach dem Attentat gelang, Berlin unerkannt zu verlassen, ist bis heute ungeklärt.

Wie die Ausschussmitglieder inzwischen herausfanden, hatte der Informant aus dem Islamisten-Milieu seinem Kontaktmann bei der Verfassungsschutzbehörde in Mecklenburg-Vorpommern rund zwei Monate nach dem Anschlag berichtet, er habe in Berlin – mehr oder weniger zufällig – mitgehört, wie sich Mitglieder eines arabischen Clans über Amri unterhielten. Dem Vernehmen nach schloss der Informant aus dem Gespräch, sie hätten ihm Geld gegeben und auch bei der Flucht geholfen. Ob das, was der Informant gehört haben soll, Maulheldentum war oder ob Angehörige der Familie tatsächlich in die Planung des Anschlags eingebunden war, ist bis heute unklar.

Aus dem Untersuchungsausschuss, der Behördenfehler rund um den Anschlag aufklären soll, hieß es, das Verhältnis zwischen dem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und dem Vorgesetzten, der den Hinweis erst einmal versenkt haben soll, sei wohl schwierig gewesen. Der Mitarbeiter wurde den Angaben zufolge versetzt und arbeitet heute nicht mehr beim Verfassungsschutz. Sein damaliger Vorgesetzter ist inzwischen im Ruhestand.

Die Beweisaufnahme habe jetzt «den Vorwurf bestätigt, dass Mecklenburg-Vorpommern ohne nachvollziehbare Begründung Hinweise auf mögliche Hintergründe und Unterstützung zum Breitscheidplatz-Anschlag nicht weitergegeben hat», sagte die Obfrau der Linksfraktion, Martina Renner. Inwieweit Behördenleitung und politisch Verantwortliche in den Vorgang eingebunden waren, müsse durch die Vernehmung von Landesverfassungsschutz-Chef Reinhard Müller und die Ladung von Ex-Innenminister Lorenz Caffier geklärt werden. Aus Schwerin wollen die Abgeordneten wohl auch den Staatssekretär im Innenministerium, Thomas Lenz, als Zeugen vernehmen.

Caffier hatte am Dienstag sein Amt als Innenminister niedergelegt. Er hatte als Privatmann eine Pistole von einem Waffenhändler gekauft, der Verbindungen zu dem 2017 aufgeflogenen rechtsextremen Prepper-Netzwerk «Nordkreuz» gehabt haben soll.

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