Bei einer Protestaktion des Bündnis „Pflege in Not“ in Schwerin hält eine Teilnehmerin ein Schild mit der Aufschrift „Pflege in Not – Existenzen bedroht!“. Foto: Jens Büttner/dpa/Archivbild (Foto: dpa)
Schwerin/Neubrandenburg (dpa) – Das Bündnis «Zukunftsfeste Pflege» in Mecklenburg-Vorpommerns startet einen landesweiten Bürgerdialog zu den Problemen in der Pflege. Zum Auftakt einer Reihe von insgesamt 26 Veranstaltungen werden am Mittwoch in Neubrandenburg neben Spitzenvertretern des Pflegeverbandes und von Krankenkassen auch Landespolitiker erwartet, darunter Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) und ihr CDU-Amtsvorgänger Harry Glawe. Der Organisator des öffentlichen Dialogforums, Maik Wolff vom Pflegebündnis MV, erwartet eine kontroverse Debatte. Bürgerinnen und Bürger seien eingeladen und auch aufgefordert, ihre Fragen zu stellen.
Die Vorstellungen über die Lösung der strukturellen, finanziellen und personellen Herausforderungen in der Pflege und der Pflegeversicherung lägen bislang noch weit auseinander, sagte Wolff. Würden die Probleme aber nicht bald und nachhaltig gelöst, drohe sich die Pflegekrise in eine gesamtgesellschaftliche Krise auszuwachsen: «Wer sich um seinen Angehörigen kümmern muss, weil er keinen Pflegedienst findet oder sich diesen nicht leisten kann, der fehlt am Arbeitsplatz, der fehlt in der Wirtschaft», warnte Wolff. Über Jahrzehnte hinweg hätten mehrere Bundesregierungen notwendige Reformen immer wieder aufgeschoben und damit die Lage weiter verschärft.
Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen beliefen sich im Jahr 2022 die Ausgaben im Rahmen der Pflegeversicherung bundesweit auf 60 Milliarden Euro. Die Einnahmen hingegen hätten lediglich bei 57,8 Milliarden Euro gelegen. Zudem seien die privaten Ausgaben für die pflegerische Versorgung in Heimen weiter gestiegen, aktuell auf durchschnittlich 2783 Euro pro Monat und Platz. Für das Jahr 2023 zeichnet sich erneut ein Kostensprung bei den Pflegeleistungen ab. Nach Ansicht Wolffs gibt es Indizien dafür, dass die Finanzierung der Pflege schon bald nicht mehr gewährleistet werden könne. «Wir steuern auf eine Notlage zu.»
Das Bündnis «Pflege in Not» hatte mehrfach auf die unzureichende finanzielle und personelle Ausstattung in der ambulanten und stationären Pflege hingewiesen und sich auch an den jüngsten Protesten gegen die Politik der Bundesregierung beteiligt. Im ländlichen Raum seien Pflegedienste oft nur noch vereinzelt zu finden und in den Städten müssten sie wegen Personalknappheit die Aufnahme neuer Patienten mitunter ablehnen, berichtete Wolff.
Sozialministerin Drese würdigte das Engagement des Vereins «Zukunftsfeste Pflege». «Das Bündnis richtet die öffentliche Aufmerksamkeit auf eines der wichtigsten sozialpolitischen Themen in unserer Gesellschaft: die Ausgestaltung und Sicherstellung der Pflege. Viele der Forderungen des Bündnisses, darunter der Wunsch nach guten Rahmenbedingungen für die Beschäftigten sowie der finanziellen Absicherung von Pflegebedürftigen teile ich ausdrücklich», betonte Drese und verwies auf den in MV geplanten «Pakt für Pflege», mit dessen Hilfe auf Landesebene Verbesserungen entwickelt und umgesetzt werden sollen.
Zwar habe sich in den letzten Jahren auch auf Bundesebene schon einiges bewegt, wie etwa die Einführung eines verpflichtenden Tariflohns in der Pflege. Mit dem Anfang 2024 in Kraft getretenen Entlastungsgesetz seien zudem die staatlichen Zuschüsse zum Eigenanteil in Pflegeheimen und die Leistungen im Bereich der ambulanten Pflege erhöht worden. Doch seien weitere grundlegende Änderungen unumgänglich. «Damit die Pflege langfristig sicher und bezahlbar sein kann, braucht es eine Reform der Pflegeversicherung. Unsere Gesellschaft muss dafür eine ehrliche Debatte führen, wie viel Geld uns die Pflege wert ist und welchen Beitrag wir bereit sind, zu leisten», betonte Drese. Sie sprach sich für die Einführung einer Pflegevollversicherung aus.
Ende 2021 bezogen laut Statistischem Landesamt 122.866 Menschen im Nordosten Leistungen aus der Pflegeversicherung, 20.000 mehr als Ende 2019. Der weitaus größte Teil wird von Angehörigen zu Hause gepflegt. Etwa 33.500 Betroffenen erhielten Hilfen durch ambulante Pflegedienste, knapp 20.000 wurden in Heimen betreut.
Mit der Zahl der Pflegebedürftigen steigt auch der Bedarf an Pflegekräften. Ende 2021 arbeiteten dem Statistikamt zufolge 17 815 Menschen in der Branche, fünf Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Frauen dominieren mit 84,4 Prozent. Neuere Zahlen lagen nicht vor.