Julian Bolte. Schwerin
Am Mittwoch, den 01.03.23, lud die Schweriner-Volkszeitung zu einer neuen Runde des „Blauen Salon“ ein. Dieses Mal ging es um das Thema „Toleranz an Schulen“. Eingeladen zu diesem Thema wurde Veuve Noire, selbst ernannte Dragqueen und offizielle Botschafterin der „Olivia Jones Familie“, der Vorsitzende des Landeselternrat, Kay Czerwinski. Zur Hilfestellung bei einigen Themen wurde auch die Referatsleiterin „Familie“ aus dem Sozialministerium, Christiane Sparr eingeladen. Sie nahm im Publikum Platz. Etwa 30 Gäste kamen.
Debatte im Vorfeld
Schon vor der Veranstaltung gab es einen kleinen Eklat. Die AfD-Fraktion im Landtag-MV äußerte sich kritisch zu den sogenannten Aktionstagen der Dragqueen an Schulen. Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Enrico Schult dazu: „Die Schule darf nicht noch mehr ideologisiert werden, schon gar nicht im Sinne einer entwicklungspsychologischen höchst bedenklichen Frühsexualisierung“.
Veuve Noire entgegnete der Aussage wie folgt: „Es geht bei unserer Arbeit nicht um Sex. Es geht um Akzeptanz und Liebe.“ Im Weiteren bezeichnete sie AfD Mitglieder und Abgeordnete als „graue Herren“, die ihrer Meinung nach „Sex nicht von Liebe unterscheiden können“. Gleich zu Beginn des Gespräches wies Michael Seidel (Chefredakteur der SVZ) darauf hin, dass es eine „ungebetene Promotion“ gab. Damit rekurrierte er auf die Pressemitteilung der AfD-Fraktion.
Ein Kind aus MV
Zu Beginn berichtete der in Wismar aufgewachsene Hendrik Schmidt, heute Veuve Noire, von ihrer Kindheit. Gegen sie habe häufig ein „rechter Wind“ geweht. Menschen in Mecklenburg-Vorpommern seien häufig „vorurteilsbehaftet“.
Sie hätte mehr als ein Mal ihre „Beine in die Hand nehmen müssen um vor Nazis wegzulaufen“. Sie sei immer wieder, ob in der Schule oder Berufsschule, von homophobem Mobbing betroffen gewesen. Sie selbst habe schwerste Depressionen gehabt. Durch ein Casting der „Olivia Jones Familie“ 2013 in Hamburg, wurde sie in diese aufgenommen und zog danach auch nach Hamburg, wo sie sich dann frei ausleben konnte. Mit den Aktionstagen habe sie gute Erfahrungen gemacht, es gäbe viel Offenheit und Respekt ihr gegenüber. Nicht alle Schüler könnten damit etwas anfangen, darum ginge es aber auch nicht. Michael Seidel berichtete, dass er versucht habe, Mitglieder der Landesschülervertretung einzuladen. Dort sei aber scheinbar eine gewisse Scheue bei dem Thema festzustellen.
Landeselternrat erörtert die Problemlage
Dann kam der Vorsitzende des Landeselternrat zu Wort. Seidel fragte ihn, ob es so sei, dass die Interessen der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Interessen von Minderheitsgesellschaften zurücktreten müssten.
Czerwinski antwortete: „Eltern sind immer der Durchschnitt der Gesellschaft, es ist auch bei uns ein Thema. Die Schwulen und Lesbenbewegung, queere Menschen, sind nur ein ganz kleiner Teil der Gesellschaft. Diese Gesellschaft werde aber in der öffentlichen Wahrnehmung sehr stark vertreten. Diese starke Vertretung führt dazu, dass sich einige wiederum nicht vertreten fühlen.“
Er selbst habe sich einen Aktionstag von Veuve Noir an einer Schule in Satow angeschaut. Er sagt, dass die Schüler danach eine positiven Eindruck auf ihn vermittelt hätten. Christiane Sparr wurde gebeten, ein paar Worte zu sagen. Sie wies auf den Landesaktionsplan hin und sagte, dass daran alle Ministerien mitarbeiten würden. Sie habe Unverständnis für Mobbing in der heutigen Zeit. Sie sagte aber, dass man Toleranz als Landesregierung nicht verordnen könne.
Linker OB-Kandidat zeigt seine Gedanken offen
Anschließend wurde der Teil für Fragen und Statements aus dem Publikum eröffnet. Zu Wort kam gleich zu Beginn Dr. Daniel Trepsdorf, der Kandidat der Partei DIE LINKE für die diesjährige Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt Schwerin. Er stellte sich vor und berichtete, dass seine Frau die einzige „Transgender-Praxis“ in MV betreibe und er deswegen eh häufig interessante Diskussion über dieses Thema am Küchentisch habe. Er berichtete von seiner „Demokratieförderung auf dem platten Land“ und merkte an, dass man dort an ganz andere Küchentische geraten würde, nämlich an „völkische Küchentische“. Andere Meinungen auf dem Land seien für ihn ein Problem, weil dort keine Toleranz, keine Akzeptanz herrsche. Es gäbe keinen „diversity Einsatz“ für Kinder. Kinder auf dem Land werden nach dem „Napula-Prinzip“ erzogen. Damit bezog er sich auf Methoden der damaligen „Nationalpolitischen-Erziehungsanstalten“ aus dem Dritten Reich. Er führte weiter aus, dass es auf dem Land hauptsächlich um das „starke, junge, maskuline, gesunde Menschenbild“ gehe. Alle anderen Individuen werden „seelisch zum absterben“ gebracht, so Trepsdorf.
Debatte über Landbevölkerung
Seidel meinte dann, dass es wahrscheinlich einfacher und angstfreier sei, in Schwerin oder Rostock über solche Themen zu reden, als beispielsweise in Upahl oder Grevesmühlen oder auf dem flachen Land.
Zu den Aussagen von Trepsdorf und Seidel hatte der Vorsitzende des Landeselternrat ein klares Statement auf den Lippen. Er sagte, dass die erste Ausgrenzung schon damit anfängt, wenn man Menschen aus Upahl und Grevesmühlen mit Rechten gleichsetzt. Dies findet er in keinem Fall in Ordnung. Er fügte hinzu, dass, wenn er durchs Land fahre, er keine völkischen Familien treffe. Selbst habe er sowas noch nicht erlebt. Er verneint aber nicht, dass es solche Fälle geben kann. Seidel fügte hinzu, dass er aber schon solche Fälle kennen würde. Im Anschluss leugnete Seidel, Upahl und Grevesmühlen benannt zu haben.
Vereine wollen mehr Aktionen an Schulen und Kitas
Insgesamt blieb es bei vielen Statements und wenigen Fragen aus dem Publikum. Dabei waren bspw. Anhänger und Mitarbeiter des „LSVD-Queer-MV“, ein Verein der LSBTIQ*-Förderung betreibt. Oft war herauszuhören, dass diese Mitarbeiter mehr Fördergelder von Land und Bund für Ihre Vereine haben wollen. Besonders wichtig sei Ihnen aber, dass man diese Aktionstage verstetigt. Insbesondere in Kitas und Grundschulen müssten häufig solche Aktionen stattfinden. Die Neutralitätspflicht von Staat und Schulen wurde im Kontext dieses Gespräches nicht erwähnt, noch wurde dazu aufgerufen, auch Menschen und Vereine einzuladen die wiederum ein anderes Lebensmodell haben als Veuve Noir, also beispielsweise, dass einer traditionellen Familie aus Mutter, Vater und Kind.
Die Veranstaltung wurde pünktlich 19:30 Uhr vom Veranstalter Michael Seidel geschlossen.