Wahlanalyse: Als die Gewinner keine Sieger waren

Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen liest man in den Medien heute vermehrt von einem “AfD-Beben”. Zwar konnte die Partei – anders als prognostiziert – keine Landtagswahl für sich entscheiden, gewann jedoch in beiden Bundesländern massiv hinzu.

Zunächst die Zahlen für Brandenburg. Dort stieg die junge Partei um 11,3 Prozentpunkte auf 23,5%. Wahlsiegerin wurde die SPD. Freuen können sich die Sozialdemokraten aber nicht, denn von der einstigen Größe einer absoluten Mehrheit sind sie weit entfernt. Die Partei verlor im Vergleich zur letzten Landtagswahl 5,7 Prozentpunkte und erhielt 26,2%. Ihr Koalitionspartner, die LINKE, brach deutlich ein und landete nach dem Verlust von 7,9 Prozentpunkten nur noch auf dem fünften Platz. Vor ihr landete eine ebenfalls von massiven Verlusten heimgesuchte CDU (-7,4 Prozentpunkte auf 15,6%) und die in den Umfragen deutlich überschätzten Grünen (+4,6 Prozentpunkte auf 10,8%), welche die für sie äußerst günstige mediale Großwetterlage nicht in größere Erfolge umsetzen konnten und weniger stark vom Einbruch des bisherigen rot-roten Regierungsbündnisses profitieren konnten, als angenommen.

Ein ähnliches Bild bietet sich dem Beobachter in Sachsen dar. Die AfD gewann in ihrer sächsischen Hochburg, in welcher sie bereits die Bundestags- und EU-Wahl für sich entscheiden konnte, genau 17,7 Prozentpunkte hinzu und landete mit 27,5% auf einem respektablen zweiten Platz. Wahlsiegerin wurde in Sachsen die CDU mit 32,1%, welche allerdings mit 7,3 Prozentpunkten erhebliche Einbußen zu beklagen hat. In ihrer einstigen Hochburg, in welcher sie seit 1990 regiert, ist sie nun angezählt.  Noch ungünstiger verlief die Wahl für die LINKE, welche auch in Sachsen mit 8,5 Prozentpunkten Verlust die große Wahlverliererin ist. Die SPD erlitt mit einem Ergebnis von 7,7% ihr schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten. Die Grünen konnten, wie auch in Brandenburg, die für sie günstige Stimmung nicht in bessere Ergebnisse umsetzen und blieben einstellig.

Spannend wird nun die Frage der Regierungsbildung werden. Nachdem sowohl die SPD in Brandenburg als auch die CDU in Sachsen angekündigt haben, keine Koalition mit der AfD eingehen zu werden, wird es in beiden Bundesländern auf ein Dreierbündnis hinaus laufen. In Brandenburg gibt es zwei realistische Optionen: eine Fortsetzung von rot-rot unter Einbeziehung der Grünen oder eine Afghanistan-Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Erstere hätte zwar den Vorteil eines größeren ideologischen Konsens, müsste aber mit dem Makel leben, dass die eher unbeliebte Regierung unter Zuhilfenahme eines dritten Partners fortgesetzt werden würde. Ob dies eine gute Entscheidung wäre, gerade angesichts der zusammenbrechenden Linkspartei, ist fragwürdig. Die Option eines Afghanistan-Bündnisses würde wiederum zwar eine Beendigung der bisherigen Regierungskoalition bedeuten, die angeschlagene Linkspartei aber durch eine angeschlagene CDU austauschen. Zusätzlich könnte die Entscheidung der CDU, mit rot-grün zu koalieren, weitere Wähler an die AfD verprellen. Andere Koalitionen sind rechnerisch nicht möglich oder unwahrscheinlich.

Auch in Sachsen steht die Regierungspartei CDU vor dem Dilemma, eine Regierung der Wahlverlierer unter Zuhilfenahme eines dritten Partners fortzusetzen und sich gleichzeitig ideologisch stark verbiegen zu müssen: da sie sowohl mit AfD als auch mit Linkspartei eine Zusammenarbeit ausgeschlossen hat, bleibt ihr nur noch die Option einer Afghanistan-Koalition. Dies ist für den vergleichsweise konservativen Landesverband ein doppeltes Problem: sie muss den grünen Juniorpartner über Gebühr entgegen kommen und so die Flanke nach rechts aufmachen. In diese wird die AfD einbrechen und den in der sächsischen CDU ohnehin nicht unhinterfragten Abgrenzungsbeschluss zu ihr weiter torpedieren. Die Grünen wiederum sind sich ihrer Rolle als Königsmacher durchaus bewusst und werden möglichst viele Kompromisse abpressen. Zusätzlich steht die Frage im Raum, was aus den vom Landeswahlleiter bisher nicht genehmigten 7 Listenplätzen der AfD wird, welche diese zusätzlich zu den 30 genehmigten errungen hat. AfD-Landeschef Urban kündigte im Härtefall das Drängen auf Neuwahlen an. Eine solche könnte auch durch die schwierigen Koalitionsverhandlungen der CDU mit den Grünen nicht unwahrscheinlich sein.

Man darf also in den nächsten Tagen gespannt nach Potsdam und Dresden schauen. Eines scheint aber klar zu sein: die Konstellationen stehen denkbar günstig für die AfD, was ihr Rückenwind für die Wahl in Thüringen geben dürfte.

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