Am 23.10.2019 fand in der Güstrower Sport- und Kongresshalle die 17. Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindetages statt. Es wurde ein neuer Vorstand gewählt. Der langjährige Vorsitzende Dr. Reinhard Dettmann gab sein Amt ab. Neuer Vorsitzender wurde Thomas Beyer (SPD), Oberbürgermeister der Hansestadt Wismar. Dr. Reinhard Dettmann wurde nach 20 Jahren Amt einstimmig zum Ehrenvorsitzenden ernannt.
Vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung gab es eine Kommunalmesse. Etwa 60 Vereine und Unternehmen stellten ihre Angebote für die Kommunalpolitik vor. Ob digitale Lösungen, Druckerzeugnisse oder Fördermittelberatung, es gab viele Ideen für die Realpolitik vor Ort.
Nach der Eröffnung durch Dettmann und einer Begrüßung durch den Güstrower Bürgermeister Arne Schuldt wurde eine Änderung der Satzung beschlossen, die Personalwahlen im Verband künftig erleichtern soll. Anschließend hielt die Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) ein Grußwort ab. Sie lobte den Städte- und Gemeindetag als „geschätzten Experten“. Das Parlament sei mit dem kommunalen Spitzenverband eng in den Entscheidungen verbunden. Hesse betonte: „Die kommunale Selbstverwaltung brauche Freiräume zum Gestalten und verlässliche Finanzen.“ Hesse sprang kurzfristig für Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ein, die erkrankt war.
Der Bundespräsident a. D. Joachim Gauck hielt eine Laudatio auf die Kommunalpolitiker. Der ehemalige Pastor aus Lüssow lobte „die Frauen und Männer, die sich für zuständig erklärt haben“ bei den Problemen „anzupacken“. Sie seien die „Boten für die Demokratie“ und „ohne ehrenamtliches Engagement sähe es ziemlich trostlos aus.“ Gauck kritisierte die Politiker, die versuchen aus geschürten Ängsten politisches Kapital zu schlagen. Er warnte die Teilnehmer: „Angst macht kleine Augen!“ Als Beispiele nannte er den Klimawandel und die Migrationsdebatte. Zudem warnte Gauck vor stärker werdender Gewalt gegen Kommunalpolitiker.
Eigentlicher „Star“ des Abends war aber Dettmann mit seiner Rede zum Tagesmotto „Mehr Selbstverwaltung wagen!“. In seinem letzten Jahresbericht als Vorsitzender ermöglichte er eine Reminiszenz über 30 Jahre Nachwendepolitik auf kommunaler Ebene. Von den ersten Demonstrationen, über die Einführung des Grundgesetzes bis zur Gründung des Städte- und Gemeindetages. Er schilderte, welch zähes Ringen um Gesetze und ausreichende Finanzmittel es mit dem Land gab. Zuletzt handelte man eine Steigerung der Finanzausgleichsmasse von 1,180 Milliarden Euro auf 1,473 Milliarden Euro aus. Eine Infrastrukturpauschale von 100 Millionen Euro sei dauerhaft gesichert worden. Zu Bedenken gab er aber auch, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge juristisch nicht sauber gelaufen sei. Die derzeitige Rechtslage verstoße laut Dettmann gegen die Landesverfassung und den Konnexitätsausgleich. Kritisch begleitete Dettmann auch die nicht vollständig zu Ende geplante Elternbeitragsfreiheit und die Fördermittelpolitik. Letzere „hebelt die Selbstverwaltung auf“. Die Kommunalpolitik renne den Fördermitteln hinterher.
Daraufhin wurde der neue Vorstand gewählt. Neuer Vorsitzender wurde Thomas Beyer (SPD). Mit 17 Gegenstimmen, von insgesamt 313 Wahlberechtigten, wurde er ohne Gegenkandidat gewählt. Seine beiden Stellvertreter wurden, ebenfalls ohne Gegenkandidaten, Jörg Siekmeier (parteilos), stv. Bürgermeister der Gemeinde Deyelsdorf, und Alexander Benkert (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Süderholz.
Beim ersten Wahlgang für die weiteren Vorstandsmitglieder wurden Silvio Witt (211 Stimmen), Constance von Buchwaldt (157), Arne Schuldt (155), Klaus Madsen (151), Dr. Rico Badenschier (146), Dr. Stefan Fassbinder (142) und Andreas Grund (136) gewählt.
Während der Auszählung hielt Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindetags, sein Grußwort ab. Er warnte vor Panikmache durch „Klimanotstände, Flüchtlingsnotstände, Investitionsnotstände.“ Die Steuerschätzungen für die kommenden Jahre sehen sehr gut aus. Man solle sich nicht von „Empörung und Betroffenheit“ lenken lassen, die in der „Schlagzeilenrepublik“ herrschen. Er kritisierte die Klimahysterie und nannte es eine „populistische Illusion“, dass Deutschland den Klimawandel alleine aufhalten könne. Der deutsche Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß sei gerade einmal bei 2,23%. „Am deutschen Klimawesen, soll die Welt genesen“ hält Landsberg für ausgeschlossen. In Deutschland gäbe es außerdem eine zu starke „Gläubigkeit an die Steuerungsfunktion von Steuern“. Stattdessen gab er kurze Empfehlungen wie ein „Masterplan Klimaschutz“ gestrickt sein könnte. Zudem beklagte Landsberg die Fokussierung auf die Ballungzentren. Bei der Wohnraummangeldebatte werde häufig außer Acht gelassen, dass Millionen Wohnungen im ländlichen Raum leer stünden.
Im anschließenden zweiten Wahlgang, nach der Ehrung altgedienter Vorständler, wurde der Rest des Vorstandes gewählt. Gabriele Richter (72 Stimmen), Birgit Czarschka (66), Dr. Alexander Badrow (64), Lars Prahler (60) und Mirka Röse (60) komplettieren den neuen Vorstand.
Martin Schmidt