Neubrandenburg (dpa/mv)
Die Einzelhändler in den Innenstädten Mecklenburg-Vorpommerns brauchen nach Auffassung der IHK in Neubrandenburg eine Aussetzung des Ladenschlussgesetzes. Nur so könne die Branche den Rückstand zum Online-Handel und die Verluste durch die Corona-Krise wieder aufholen, sagte Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, am Dienstag vor Journalisten.
Haasch schlägt eine Aussetzung bis Ende 2022 vor, damit Unternehmer allein entscheiden könnten, wann sie öffnen und wie sie ihre Geschäfte wieder ankurbeln. «Sonst kippen uns die Innenstädte», sagte der Hauptgeschäftsführer. Diese Aussetzung würde den Staat kein Geld kosten.
Aus der aktuellen Konjunkturumfrage der IHK gehe hervor, dass Firmen im Süden und Osten Mecklenburg-Vorpommerns in der größten Krise seit 1990 stecken. «Das ist deutlich schlimmer als in der Finanzkrise 2008/2009», erklärte Haasch. Hauptproblem seien die «wirtschaftlichen Rahmenbedingungen», womit die unsichere Corona-Politik gemeint sei. Die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen aus Schwerin und Berlin sei inzwischen gering, erklärte IHK-Vizepräsident Frank Benischke, der ein großes Wohnungsunternehmen leitet.
In der Umfrage schätzte ein Drittel der Betriebe ihre Lage als «schlecht» ein. Vor allem Gastgewerbe, Dienstleistungen und Handel zehren demnach von Rücklagen. In dem Zusammenhang kritisierten Benischke und Haasch die in MV vergleichsweise späten Öffnungen im Gastgewerbe. Vor allem Hotels und Pensionen in Vorpommern-Rügen, wo die Sieben-Tage-Inzidenz seit dem 27. April unter 100 und seit dem 7. Mai unter 50 liege, hätte eine Öffnung bereits erlaubt werden können.
Im Nordosten seien viele Beherbergungsunternehmen auf Touristen aus anderen Bundesländern angewiesen. Diese dürften nach jetzigem Stand aber erst ab dem 14. Juni wieder nach MV reisen. «Mein Horrorszenario ist, dass die Hotels ab 14. Juni erst öffnen und dann ein verregneter Sommer kommt», sagte Haasch.
Zudem müsse man auch daran denken, dass die Schulferien in MV Anfang August schon vorbei sind, die Beschäftigten aber in der Hauptsaison eine sichere Kinderbetreuung brauchen. Hier dürfe die Politik nicht «in den Sommerschlaf verfallen», sagte der Vizepräsident Benischke.
Ob die krisengeschüttelten Firmen Verluste wieder aufholen können, sei fraglich, meinte Haasch: «Es wird viel davon abhängen, was die Kunden machen.»
In vielen Branchen sei zudem das Fachkräfteproblem gewachsen. Dies werde auch im Baugewerbe deutlich, das unter deutlich gestiegenen Rohstoffpreisen leide, und bei den Verkehrsfirmen. Die IHK Neubrandenburg vertritt die Interessen von rund 25 000 Firmen in den Kreisen Vorpommern-Greifswald und Mecklenburgische Seenplatte. Für die Umfrage wurden den Angaben nach 816 Unternehmen befragt, von denen 272 Betriebe geantwortet hätten.