„Mit jeder Apotheke, die schließen muss, stirbt ein Stück Heimat.“

Am Wochenende hat die Ratsapotheke in Wismar für immer ihre Türen geschlossen – nach 600 Jahren Geschichte! Die Apotheke war 1270 die erste, die in der Hansestadt urkundlich erwähnt wurde.


Hanse-Rundschau: „Tobias Bunners, Sie stammen aus Wismar und sind selbst Apotheker. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der endgültigen Schließung der Ratsapotheke erfahren haben?“

Tobias Bunners: „Als ich von der Schließung der Ratsapotheke hörte, wollte ich es zunächst nicht glauben. Die Apotheke gehörte seit über 600 Jahren einfach zu Wismar dazu – für mich unvorstellbar, dass diese Geschichte auf einmal zu Ende sein könnte. Hinzu kommt, dass ich 1985 nach dem Abitur zur Vorbereitung des späteren Studiums dort für zwei Monate ein Praktikum absolviert habe und mir die Mitarbeiter und die Atmosphäre des historischen Hauses bestens in Erinnerung geblieben sind. Das ist wirklich ein schwerer Verlust für die Stadt!“

Hanse-Rundschau: „Die Ratsapotheke ist ein sehr geschichtsträchtiges und prominentes Beispiel – aber wahrlich nicht die einzige Apotheke, die in den vergangenen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern schließen musste….“

Tobias Bunners: „Die Gesamtzahl der Apotheken in Deutschland ist innerhalb von wenigen Jahren von ehemals über 22.000 auf nunmehr weniger als 19.000 gesunken. Das spüren die Patienten vor Ort, auch in Mecklenburg-Vorpommern: So haben zum Beispiel kürzlich zwei Apotheken in Güstrow, eine in Rehna und eine in Goldberg ihre Pforten für immer geschlossen – und weitere werden folgen. Das hat verschiedenste Ursachen: Im Fall der Ratsapotheke in Wismar lag es wohl an den exorbitanten Mietforderungen des Hausbesitzers, einer Berliner Fondsgesellschaft. Ein anderes, weitaus häufigeres Problem ist der Personalmangel! Hier haben die politisch Verantwortlichen jahrzehntelang geschlafen und viel zu wenige Studien- und Ausbildungsplätze für Fachpersonal geschaffen. Das muss sich dringend ändern, wenn die Apotheke vor Ort eine Zukunft haben soll.


Hanse-Rundschau: „Warum ist das von so großer Bedeutung? Kann nicht alles inzwischen auch online geregelt werden?“

Tobias Bunners: „Wenn Sie zum Beispiel als Eltern nachts zuhause ein vor Zahnschmerzen weinendes Kind haben – da verlässt man sich doch lieber auf die diensthabende Apotheke vor Ort… Die Apotheke „um die Ecke“ ist so viel mehr als eine reine Medikamentenausgabestelle: Viele Bürger sind „ihrer“ Apotheke seit der Kindheit verbunden, sie vertrauen zurecht auf die fachkompetente und persönliche Beratung. Ein kostenloser Lieferdienst ist zudem längst Standard. Die meisten Apotheken sind für Patienten oft die erste barrierefreie Anlaufstelle und damit ein wichtiger Teil der medizinischen Infrastruktur.


In der Stadt werden sich die Patienten zu helfen wissen, wenn eine Apotheke – wie jetzt die Ratsapotheke in Wismar nach 600 Jahren – schließt. Naturgemäß gibt es vor Ort Alternativen. Brenzlig wird die Situation aber im ländlichen Raum: Die Apotheken dort müssen nicht nur die Patienten, sondern auch die dortigen Pflegeheime und Spezialkliniken versorgen. Sie bieten rund um die Uhr Bereitschaftsdienste, so dass im Notfall immer eine Apotheke in der nahen Region helfend zur Verfügung steht. Mit jeder Apotheke, die schließen muss, stirbt nicht nur ein Stück Heimat – sondern auch die Versorgungssicherheit und damit die Lebensqualität der Menschen, ganz besonders im ländlichen Raum. Das muss mit allen Anstrengungen und kluger Politik schnellstens verhindert werden.


Tobias Bunners (53), Apotheker und Beisitzer im Landesvorstand der AfD Mecklenburg-Vorpommern sowie Mitglied des AfD-Bundesfachausschusses ‚Gesundheit‘

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