Schließung des Ihlenbergs: Teuer und Umweltgefährdend

Europas größte DK III Deponie wird im Jahr 2035 geschlossen. Das hat die Landesregierung unter Manuela Schwesig beschlossen. Dem landeseigenen, 164 ha großen Betrieb IAG (Ihlenberger Abfallgesellschaft), nahe der Grenze zu Schleswig-Holstein, wird vorgeworfen unsauber zu arbeiten. Das Problem: nur Manuela Schwesigs Ehemann war davon überzeugt. Die vorzeitige Schließung kostet das Land erst einmal pauschal 110 Millionen Euro. Es fehlen nun Rücklagen für die Renaturierung.

Haupteinfahrt der Deponie in Selmsdorf: Bauabfälle, Siedlungsmüll und Gewerbeüberreste werden hier wiederverwertet, zwischengelagert oder nach Behandlung verbaut
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Vor gut einem Jahr, im November 2018, kam es zu einem wochenlangen Aufschrei in der Presse. Ein eigens verfasster Bericht des Deponieangestellten Stefan Schwesig gelangte an einige Journalisten. Der Finanzmitarbeiter Schwesig warf darin seiner Deponieleitung indirekt vor, dass sie massive Überschreitungen von Grenzwerten zuließe. Besonders anrüchig wurde das Ganze, weil Stefan Schwesig bereits eine Beamtenstelle im Landesforst zugesichert bekommen hatte. War es ein Nachtreten? Oder war es ein zeitlicher Zufall, dass er angebliche Umweltgefährdung kurz vor seinem Wechsel bemerkte? Die Deponieleitung wehrte sich jedenfalls. Sie bezeichnete die Vorwürfe als fehlerhaft.

Auch die von der Landesregierung beauftragten Eil-Gutachten und eigenen Untersuchungen zeigten keine Auffälligkeiten. Dies hinderte die Landesregierung aber erst einmal nicht daran, Abfälle aus dem Ausland (2018 ca. 1,8% der Gesamtmenge) zu unterbinden. Diese ausländischen Abfallkomponenten waren teils nötig für den Weiterbau des Deponiekörpers. Zudem wurde ein Sonderbauftragter ernannt, den Fall komplett zu untersuchen. Der Spitzenbeamte Dr. Tilmann Schweisfurth nahm sich der Sache an.

Auf der Deponie: Hier werden Bauschutt, Gewerbeabfall, Schlämme, Asphalt, Schlacke und Böden zu einem festen Deponiekörper verbaut

Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Dirk Lerche, und der finanzpolitische Sprecher, Sandro Hersel, besichtigten die Deponie und die Gemeindevertretersitzung. Sie stellten das Gleiche fest. Es gab laut AfD fast nichts zu kritisieren. Weder die Technik noch die Finanzen waren nachlässig oder unsauber geführt worden. Sämtliche Messungen zu Luft- und Grundwasserbelastung ließ sich Hersel bereits Monate vor der Skandalisierung per Kleinen Anfragen zuleiten. Es gab keine Gefährdung laut Antworten der Landesregierung. Auch die Linksfraktion rückte im Laufe des Jahres von ihrer anfänglichen Kritik an der Deponie schrittweise ab und wurde kritischer gegenüber der Landesregierung.

Nach zwei Sondersitzungen im Wirtschaftsausschuss des Landtags wurde klar, dass quasi kein Beteiligter irgendwelche Probleme mit der Deponie hatte. Die Staatlichen Ämter für Landwirtschaft und Umwelt (StALU), die Deponiegeschäftsführer, die Betriebsratsvorsitzende, der SPD-Bürgermeister, die juristischen Gutachter und der Sonderbeauftragte des Landes sahen keinerlei Rechtsverstöße oder Gefährdung der Umwelt.

Komponente des Drainagesystems der Sickerwasserbehandlung: Das Niederschlagswasser wird unter der Deponie gesammelt und anschließend gefiltert
Das gefilterte Wasser (Permeat) fließt nach einigen Wochen in die renaturierten Teile der Deponie
Ausschuss im Landtag – Backhaus hat keinen Plan

Die Oktobersitzung, des diesmal gemeinsamen Wirtschafts- und Umweltauschusses im Landtag, offenbarte dann das komplette Chaos. Nachdem per Schwesig-Eilbeschluss die Zuständigkeiten der Abfallwirtschaft vom CDU-Wirtschaftsministerium auf das SPD-Landwirtschaftsministerium übertragen wurde, kam es zur zweiten großen Ihlenberg-Besprechung im Landtag. Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) erschien nicht. Der Sondergutachter stellte klar, dass die Renaturierung nicht gewährleistet werden kann. Umweltminister Dr. Till Backhaus (SPD) wurde als ratlos beschrieben. Es soll keinen Plan und keine Idee geben. Backhaus will andere Bundesländer um Hilfe bitten, deutete aber an, sich in Mecklenburg-Vorpommern nach einem neuen Standort umzusehen. Problematisch daran ist, dass Genehmigungen für neue Deponien sich 15 bis 20 Jahre hinziehen.

Hitzige Debatte im Landtag

Auf der Landtagssitzung am 15.11.2019 stellte Finanzminister Reinhard Meyer (SPD) den Bericht von Schweisfurth mit seiner Deutung vor. Er gab einen historischen Überblick von DDR-Zeiten bis jetzt. Dabei wetterte er gegen den Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki (FDP) und die Treuhand, die „einen Vertrag zu Lasten Mecklenburg-Vorpommerns“ hinterlassen hätten. Das „Ziel bis 2035 wurde bekräftigt“, dies sei bereits seit 2010 in Planung. Meyer räumte ein, dass der Sonderbeauftragte sich lieber eine Laufzeit bis 2041 gewünscht hätte. Mit der Annahmebegrenzung um 25%, will man weniger Gewinnorientierung, sondern mehr Nachsorge. Die Landesregierung will zudem den „Mülltourismus aus dem Ausland“ beenden. „Das Schließungsszenario 2035 meint die Landesregierung ernst“, sagte Meyer.

Die AfD-Fraktion argumentierte ins Gegenteil. Sie stellte einen Antrag, die Deponie bis 2050 offen zu halten. AfD-Politiker Lerche stichelte gegen die Regierung. Die Regierung gefährde die Entsorgungssicherheit und verursache Kosten in Höhe von dreistelligen Millionensummen. Er forderte die Landesregierung auf, die Deponiekapazität auszuschöpfen und die Laufzeit wieder zu verlängern. Die AfD zweifelte die kognitiv-logischen Fähigkeiten der Regierung an. Eine neue Deponie zu suchen, obwohl eine bestehende, eingespielte und funktionierende Deponie noch nicht ausgeschöpft wurde, sei laut Antragstext „bar jeder Logik“. Lerche sagte: „Es stinkt zum Himmel, aber nicht aus der Deponie, sondern wieder mal aus der Staatskanzlei.“ Lerche stellte klar, dass es „keinen Planeten B“ gebe. Man müsse den „menschengemachten Müll“ für die künftigen Generationen ordentlich verbauen.

Jochen Schulte, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verteidigte die Entscheidung des Kabinetts. „Es ist gut, dass das ein Ende hat.“ sagte Schulte. Die Reduzierung um 25% sei eine Rückführung auf den Status von vor ein paar Jahren. Schulte sprach sich deutlich gegen den Müll aus entfernten Regionen aus.

Mignon Schwenke, umweltpolitische Abgeordnete der Linken, kritisierte die Landesregierung. Mit dem Ausstiegsszenario habe sie „versagt“. Sie verdeutlichte, dass Gesundheit und Umwelt für ihre Fraktion das wichtigste an der Thematik seien. „Auch bei den Kontrollen der Ladungen hat die IAG mehr gemacht als gesetzlich vorgeschrieben“ sagte Schwenke. Sie bestätigte, dass es keine rechtlichen Verfehlungen gab. Sie plädierte für mehr Personal, dass die Vorgänge kontrolliert. Prozessoptimierungen in einem Betrieb seien ein normaler Vorgang. Schwenke sagte, auch sie habe die IAG besucht. „Bisher habe ich noch keinen Betrieb erlebt, der sich so offen und transparent gegeben hat.“ lobte Schwenke die IAG. Der Bürgermeister von Schönberg stehe hinter der Deponie und wurde wiedergewählt. Schulte intervenierte während Schwenkes Rede und warf den Linken Doppelzüngigkeit vor. In Nordwestmecklenburg hätte Simone Oldenburg, linke Landtags- und Kreistagsabgeordnete, gegen den Weiterbetrieb der Deponie gestimmt. Hier spreche die Linken-Fraktion nun für den Weiterbetrieb.

Holger Kliewe, CDU-Abgeordneter, stellte nochmals fest, dass es „keinerlei Verfehlungen“ gab. Kliewe sprach die 110 Millionen Schaden an. Die Ausstiegszenarien belaufen sich bis 2065 und je früher man die Deponie schließe, desto teurer werde es. Aus dem Kabinettsbeschluss gehe nicht hervor, dass ein neuer Standort für Mecklenburg-Vorpommern ausgeschlossen wird. 42% des Mülls auf der Deponie stammen aus Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Müll müsse, wenn Mecklenburg-Vorpommern keine Deponie mehr haben wird, in andere Bundesländer gefahren werden.

Das Parlament beschließt das Ende 2035

Der Antrag der AfD wurde abgelehnt. Alle anderen Fraktionen stimmten dagegen. Die Deponie wird im Jahr 2035 bei weniger Annahmemenge und Nichtausschöpfung der Kapazität geschlossen.

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